Ein Hochdruckgebiet an der passenden Stelle sorgte mit etwas Föhnunterstützung noch einmal für ein prachtvolles Bergwetter

an einem weiteren Oktober-Wochenende – und auch dieses galt es auszunutzen, bevor der üblicherweise graue und nass-kalte November die alpine Stimmung drückt. Mein Wunsch im Rahmen einer mir bisher unbekannten Kraxel-Route im Ostkaiser noch einmal Fels in die Finger zu bekommen, wollte mangels Tourenpartner nicht mehr aufgehen – daher als „Solist“ unterwegs, mußte ich mich „sicherheitshalber“ für bereits bekannte Tourenabschnitte entscheiden. Entsprechend der fortgeschrittenen Jahreszeit entwickelte sich ziemlich schnell eine kleinere Variante der letztjährigen
großen Westkaiser-Überschreitung.
Kapelle auf der Steinbergalm / Zahmer Kaiser aus der großen Ostlerplatte Es ist der letzte Tag der Sommerzeit, als ich mit dem ersten Zug des (Sams-)Tages nach
Kufstein (480 m) fahre („
Hopper-Ticket“) und um 7:05 Uhr am Bahnhof die Tour beginne. Es ist noch dunkel, als ich die kleine Fußgängerzone hinauf marschiere und etwas später bei einsetzender Dämmerung den Pfad den
Elfenhain hinauf erreiche. Dieser ist genau richtig, um sich mit reduzierter Aufmerksamkeit warmzulaufen. Eine gute Stunde später wird die
Duxer Alm (900 m) neben der Mittelstation vom Kaiserlift erreicht. Ein kurzes Stück auf dem Almweg am
Riegen-Bründl vorbei, dann entscheide ich mich für den Steig über die östliche der beiden alten Skipisten hinauf, denn dies wird mir einige unsinnige Höhenmeter ersparen. Vom
Brentenjoch (1204 m / ca. 8:50 Uhr) nehme ich nun den leidigen Almweg unter die Sohlen, der sonst praktischerweise gerne mit dem Bergradl befahren wird, kann aber heute per pedes den Taleinschnitt etwas abkürzen und an der aufgelassenen „Talstation“ des ehem. Brentenjochlifts vorbei zur
Kaindlhütte (1293 m / 9:30 Uhr) aufsteigen, die derzeit wegen Umbauarbeiten geschlossen ist. Macht aber nix, für ein Bier wäre es sowieso noch zu früh und ein letzter aktiver Brunnen auf der bereits verlassenen
Steinbergalm kann mir die Wasserflaschen füllen.
Hackenköpfe-Sonneck-Treffauer / Zettenkaiser mit Westgrat Noch bin ich hier ohne andere Mitwanderer unterwegs, als es den unteren Teil des sog.
Riegensteigs hinauf geht. So kann ich mich ohne Ablenkung meinem etwas flauen Bauchgefühl widmen: Drei Möglichkeiten gibt es nun für mich durch die Nordwand des Scheffauers hinauf, den „einfachen“
Widauersteig (=versicherter Normalweg), die
vor einigen Jahren erkundete
Leuchsführe (meist UIAA II, Stelle III-) – oder die ausgesetztere
Ostler-Route, die ich
bereits öfter durchstiegen habe – zuletzt im Vorjahr mit dem „Kraxelopa“ und einer weiteren Begleitung „führend“ – zwar mit „kleiner Kletterausrüstung“ ausgestattet, dann aber ohne Seilsicherung auskommend. Gegen 10:15 Uhr stehe ich doch am Einstieg in die
Ostler-Route und während ich mich dort entsprechend vorbereite, erreicht mich auch die erste Zweier-Seilschaft (per Radl bis zur Kaindlhütte). Ein kurzer Austausch über die weitere Überschreitung des Westkaisers, dann steige ich als Tageserster in die Wand ein. Nun bin ich (fast) auf mich alleine gestellt: Mit erhöhter Konzentration in Bezug auf die „Wegfindung“ und vor allem dem sicheren Klettern steige ich immer höher – und ohne den Nachsteigern einen „steinigen Gruß“ hinab zu schicken. Keine Frage, diese Perspektive aus der Wand ist phänomenal, doch ich gebe mir kaum die Gelegenheit die Aussicht wahrzunehmen, zu sehr hält mich die Konzentration auf den derzeit trockenen Fels gefangen. Der überwiegende Teil ist (durchaus ausgesetztes) II-er Kraxelgelände, doch es gibt einige kurze Stellen mit UIAA III, wobei diejenige kurz vor der eindrucksvollen großen
Ostlerplatte die fordernste ist: Etwas kleingriffig und trittarm geht es eine kleine Felsstufe hinauf. Neben der Konzentration und Körperspannung hilft mir hier am meisten das Bewußtsein, diese Stelle bereits mehrmals geschafft zu haben: Durch ausstrecken ist für größere Leute ein guter Griff zu erreichen und mit einem kraftvollen Zug diese leicht V-förmige Stufe zu überwinden. Jetzt ist neben einer kleinen Trinkpause auch ein Foto aus der Wand genehmigt, dann quere ich durch den breitesten Riss die steile Felsplatte hindurch und wähle den vorzeitigen Ausstieg aus der Wand im Bereich der "
Scheffauer Lucke" (ohne die IV- Stelle). Puh, geschafft – und endlich ist auch die wärmende Sonne erreicht. Die letzten Höhenmeter zum Gipfelkreuz vom
Scheffauer (2111 m; 12:05 Uhr) sind eine Wohltat und helfen, die Anspannung abzubauen.
Die Klemmkugel - kein
Erdbeben-Opfer
Eine halbe Stunde Zeit gebe ich mir für Aussicht und Gipfelbrotzeit, dann beginnt der mir bekannte westseitige Abstieg in die „
Grübler Lucke“ (ca. 1850 m). Am Zettenkaiser wird gerade über die „Piste“ abgeseilt,
wie ich es vor wenigen Jahren bei meiner Erkundung auch gemacht hatte – doch inzwischen würde ich dort seilfrei hinunter kommen. In der etwas leichteren Richtung kraxele ich nun vorsichtig in der Südflanke unter der bekreuzten
Kaindlnadel hindurch. Ein kurzer Plausch mit den beiden abseilenden Burschen – wir treffen uns gerade am Kreuzungspunkt unserer Routen – dann ist auch schon das Gipfelkreuz vom
Zettenkaiser (1968 m; 13:30 Uhr) erreicht.
Zettenkaiser mit Kaindlnadel / Scheffauer-Westgrat Die halbe Stunde, die ich am Gipfel verbringe, benötigen die beiden Jungs noch die letzten Seillängen hinunter bis an den Wandfuss, dann folge ich dem oberen Teil des
Riegensteigs, bis an unscheinbarer Stelle in den
Westgrat abgebogen werden kann. Dabei begegne ich weiteren sechs Bergler/Innen, die sich nach dem Westgrat auch noch abseilen wollen, um den Scheffauer zu erreichen – doch davon scheinen sie, wie später zu erkennen ist, abgekommen zu sein und der „Normalweg“ wird ihr unkritischerer Abstieg sein. An der kleinen Schlüsselstelle des Westgrats kommt nun doch noch mein Sitzgurt und der kurze Strick zum Einsatz, denn abseilend schummele ich mich die kurze Wandstufe hinab. Noch etwas Kraxelei, dann ist der unscheinbare
Grüblerkaiser (1866 m) erreicht – nach der fordernden Aufmerksamkeit eine gute Gelegenheit, sich hier etwas in die (Nachmittags)Sonne zu setzen.
Irgendwie wäre es eine schöne Fortsetzung, wenn die Möglichkeit bestünde, in Gratnähe den niedrigeren
Zettenkaiserkopf (1609 m) zu erreichen und von dort zur Walleralm abzusteigen, anstatt die erdige Rinne in den Sattel des Hocheggs (auch Hocheck) hinunter zu rutschen. Da heute weniger Zeitdruck in der Tour ist, teste ich das komplett verlatschte Gelände an (
Brixi: „'Zetten' sind Latschenkiefer; des Zettenkaisers Name rührt also vom Latschenbewuchs“), aber der Spass schwindet schnell und so bleibt mir doch der unangenehme Steig zum
Hochegg (1470 m; ca. 16:00 Uhr) hinab. Das
Jaga-Bründl spendet mir das nächste Wasser, schmeckt aber genau so fad wie im Vorjahr, und so freue ich mich auf ein kühles Bier auf der
Walleralm (1160 m), die heute gegen 16:30 Uhr noch zur Öffnungszeit erreicht wird. Ab hier führt mich der
Rechensteig durch lichten Laubwald zum Gehöft
Rechau hinab und den
Gaisgraben querend marschiere ich am Weiler
Köllenberg vorbei, bei Haberg zur
Locherer Kapelle abbiegend. Auch dieser lästige Rückmarsch gehört zur Tour, die mich im Stadtteil Weissach nach
Kufstein zurückführt und mich entlang der Innpromenade gegen 18:15 Uhr (kurz vor Einsetzen der Dämmerung) die Innbrücke mit dem nebenan liegenden Bahnhof erreichen läßt.
Brentenjoch mit bayerischem Inntal / Herbst am Hochegg