Vor einigen Jahren wurde eine ältere Ausgabe des Kaiserführers nach Kraxelrouten durchforstet und dabei ist mir auch dieser Aufstieg aufgefallen, den ich bei „passender“ Gelegenheit machen wollte. Hier hatte
StefanMuc mit seiner Tour
Karlspitzen Überschreitung im Okt. 2013 und auch
Ameranger zusammen mit Axel/
RossiS im Nov. 2016 mit ihrem
"Moderatorenausflug alpin" - auf die Hintere Karlspitze bereits einen Vorsprung. Doch als
relaxfex seine Tour
Karlspitzen - Überschreitung vom Hohen Winkel zum Ellmauer Tor vom Aug. 2016 kürzlich Ende Juli 2020 wiederholt und mit Begeisterung davon erzählt hatte, sollte die Gelegenheit nun „passender“ gemacht und diese Tourenlücke geschlossen werden.
Kaiserwetter war angesagt, dies sollte entsprechend genutzt werden, also raus zum Kaiser:
Mit dieser Tour möchte ich ferner herausfinden, ob auch noch der Mittelkaiser mit dem ÖPNV via
Kufstein und das Kaisertal machbar ist. So fährt mich der erste Zug des Sonntags in „die Perle Tirols“ (Ankunft 7:05 Uhr). Während es an Werktagen eine Verbindung mit dem Stadtbus zum Kaiser(tal)aufstieg gibt, so habe ich ein begleitendes Experiment geplant, das mir auch bereits längere Zeit im Kopf herum ging: Wo möglich, möchte ich mir das „Hatschen“ so angenehm wie möglich machen und habe diesmal aus dem Keller einen Tretroller mit größeren Reifen ausgegraben…
Damit ist der Ortsteil Eichelwang (ca. 500 m; 7:25 Uhr) an der Stadt/Gemeinde-Grenze Kufstein/Ebbs zügig erreicht, der Aufstieg über die mehr als 300 Stufen ins Kaisertal kann beginnen (AV-Wegweiser: Anton-Karg-Haus = 2½ h; Stripsenjochhaus = 4½ h).
Bereits zu Zeiten als die „Bergradl“ noch einen Stahlrahmen hatten und „E-Power“ nicht einmal in den kühnsten „Bergsteiger“-Träumen eine Vision war, ist im Kaisertal durch das
Naturschutzgebiet Kaisergebirge (seit 1963) das Fahrradfahren verboten. Aus heutiger Sicht ist dies eine vollkommen vernünftige Maßnahme, würde dieses Tal nun sicherlich von den „E-Bikes“ überrollt werden. Wenn also ganz legal „fahren“, dann muss es etwas Fußgängerzonen-taugliches sein – und damit in gewisser Weise ein Spielzeug für Erwachsene. So schultere ich nun also den Tretroller, neudeutsch „Scooter“, und versuche ihn an geeigneten Abschnitten einzusetzen.
Am Veitenhof vorbei ist wenig später der Pfandlhof (780 m; ca. 8:05 Uhr) erreicht, hinter dem sich die Türme und Zinnen des Mittelkaisers als Silhouette aufbauen. Der (neue) Kaisertalweg ist ein guter „Kilometerfresser“ und nach dem Karg-Gartl ist bald darauf das
Anton-Karg-Haus/Hinterbärenbad (829 m) nur zwei Stunden nach meiner Ankunft am Bahnhof Kufstein erreicht. Hier deponiere ich meine rollende „Geheimwaffe“ für den dann hoffentlich angenehmen Einsatz auf dem Rückweg am Abend und wechsele auf einen Pfad, der mich gegen 9:15 Uhr zum Hans-Berger-Haus/Kaisertalhaus (936 m) bringt. Hier stehe ich nun definitiv zu Füßen des Mittelkaisers.
Ich folge dem ausgetretenen Weg in Richtung Stripsenjoch hinauf, ein wasserführender Seitenbach gibt mir die Gelegenheit das Rucksack-Gewicht um drei Kilogramm zu erhöhen – wenig später würde die Quelle
„Jagabrünndl“ die letzte Möglichkeit des Wassertankens für die heute gewählte Route darstellen.
Am oberen Rand einer Wiese (ca. 10:00 Uhr) zweigt auf 1265m etwas unscheinbar der Pfad ab, in den etwa 150m höher der Abkürzungspfad von der Strips herüber einmündet und der im weiteren Verlauf via dem Übergang Kopftörl zur Gruttenhütte führt. An der markanten
Winklerschlucht vorbei erreiche ich nun tatsächlich zum allerersten Mal das etwas abgelegene Seitental Hoher Winkel im Wilden Kaiser. Dort mache ich etwas Pause – jetzt erst wird der angenehme Schatten durch die Sonne abgelöst – und versuche bei etwa 1725 m, dort wo der Steig aus dem Geröllfeld heraus kurz in den grasigen Bereich übergeht, den Einstieg in die Kraxelroute zu finden, was mir kurz vor dem „Mittagsläuten“ am Totenkirchl auch gelingt. Grundsätzlich ist mir klar, dass es hier über diese ausgewaschenen Platten nach oben geht, um einen bereits sichtbaren Grasfleck zu erreichen, doch nach etwas suchen kann ich auch den alten verwaschenen Pfeil entdecken.
Einstiegsbereich: Platte, Grasfleck und Felsstufe (Schlüsselstelle) Ähnlich wie auf einer schräg angelehnten Leiter geht es in leichter I-IIer Kraxelei hinauf, zunehmend Höhe gewinnend, und dann auf einer kurzen luftigen Querung nach links auf den kleinen Grasfleck hinüber. Hier ist etwas Orientierung angesagt, denn über mir steilt sich der Fels zu einer Stufe auf und es ist keine alte Markierung zu erkennen. Das Gelände abschätzend, entscheide ich mich leicht links/nördlich haltend aufzusteigen, um nach wenigen Metern eine luftige Kletterstelle zu erreichen. Ja, dies ist die kurze Schlüsselstelle (UIAA II): Wie es sich für diese Schwierigkeitsbewertung gehört sind ausreichend gute Griff- und Trittmöglichkeiten vorhanden – man darf nur nicht nach unten schauen – und auch einige blasse Punkte geben hier wieder die richtige Rückmeldung. Kurz weiter links haltend ist wenig später mit einem kleinen Geröllfeld das untere Ende einer breiten, schrofigen Rinne erreicht, die hier in südöstl. Richtung nach oben zieht – dem nun wieder sichtbaren Türmchen entgegen.
Hier bin ich nun völlig alleine unterwegs, da ist am benachbarten Kopftörlgrat schon wesentlich mehr los – die Seilkommandos schallen herüber. Stets die leichteren Varianten in diesem Schrofengelände aufsteigend, geben immer wieder dunkelrote Farbreste die Rückmeldung richtig zu sein. Es wird ein kleines Törl („Felsenfenster“) erreicht mit einem interessanten Rückblick das Kaisertal hinaus. Etwas ausgesetzt und brüchig muss nun auf einem Band gequert werden und dann stehe ich direkt unterhalb des Felsturms (ca. 13:00 Uhr). Kann es sein, dass sich dieser Turm
Kufsteinerkarl nennt?
Blick zurück: Am Kufsteinerkarl vorbei in den Hohen Winkel Hier hinter dem Turm kraxelt man eine breite, verblockte Felsrinne empor, um dann durch Farbreste unterstützt leicht links vor einem sich öffnenden Gelände zu stehen. Nach oben hin lädt eine breite grasige Rinne ein dort weiter aufzusteigen, doch ich erinnere mich in der Vorbereitung gelesen zu haben, dass man sich eher rechts/südlich halten muss. Dies tue ich noch bevor sich die erste kleine Felsrippe aufbaut, aber nach alten Markierungen Ausschau haltend, sind hier keine mehr zu entdecken. Mich rechts haltend steige ich weiter auf, bis mich eine weitere kleine Felsrippe zwingt wieder korrigierend zu queren. Das Gelände hier ist im Anblick wirklich faszinierend, aber auch etwas unübersichtlich und bietet viele gut machbare Möglichkeiten nach oben zu kraxeln. Doch was kommt höher?
Unübersichtliches Gelände: Wie geht es weiter? Schließlich steige ich auf die große Rippe hinauf, die sich vom Turm heraufzieht – und entdecke dort wieder schwache Farbreste. OK, hier bin ich wieder richtig, ich war einfach nur etwas zu hoch unterwegs.
Durch die jahrelange Verwitterung sind die alten Markierungen eher abgeplatzt als verblichen, was das Auffinden dieser Reste aus einiger Entfernung fast unmöglich macht. Weiter nach oben steigend wird das Gelände bald wieder unübersichtlich, die Rippe geht in eine kleine felsige Rinne über. Was nun? Hier wieder rechts haltend ausqueren – das bereits sichtbare Gipfelkreuz der Vorderen Karlspitze würde dies verlockend unterstützen – oder die kleine Rinne weiter aufsteigen? Ich entscheide mich für letzteres und erkenne bald darauf auch wieder etwas dunkelrote Farbe am Fels - Bingo. Die Richtung haltend geht es in leichter Kraxelei weiter hinauf, einmal muss ich allerdings etwas absteigend korrigieren, jedoch Farbreste habe ich nun wiederum keine mehr gesehen, und dann zwingt mich der sich aufsteilende Fels wieder zu einer südlichen Richtungskorrektur in eine parallele Schrofenrinne hinein. Doch dort gibt es wieder alte Farbreste und die weiteren Meter hinauf sind nun auch wirklich selbsterklärend. Um 14:30 Uhr stehe ich am Grat, der etwas südlich des Aufstiegs vom Ellmauer Tor fast an der tiefsten Stelle erreicht wird.

Kaiser pur: Hier wird es für das Auge nie langweilig Entlang des Grates ist wenig später die
Vordere Karlspitze (2263 m; ca. 14:45 Uhr) mit seinem hölzernen Gipfelkreuz und der umfassenden Aussicht erreicht. Zeit für die sehnlichst erwartete Gipfelbrotzeit – doch obwohl die Sonne noch hoch am blauen Himmel steht, schwant mir, dass es heute wieder mal eine „späte Nummer“ bzw. Heimfahrt werden dürfte...
Gipfelblick: Von der Vorderen Karlspitze über die Aufstiegsroute das Kaisertal hinaus (Fortsetzung folgt)