Von der kompletten Runde Hintersee – Wimbachtal – Kaunrad – Sittersbachscharte – Sittersbachtal – Hintersee erledigte ich die Strecke Hintersee – Wimbachbrücke bequem mit dem Bus. Dann musste ich zu Fuß weiter, durch das jetzt ziemlich einsame Wimbachtal, am (noch) offenen Wimbachschloss vorbei, bis zum Ende des Wanderwegs, wo sich der Griesstrom in zwei Arme teilt. Man geht weglos den rechten Arm entlang, Richtung Seilergraben. Mit etwas Geduld entdeckte ich den auf einem Felsblock thronenden Steinmann (Foto 01), der den Einstieg ins Kaunrad markiert.
Durch Latschengassen geht’s steil aufwärts. Es folgen ebenso steile Grashänge, an deren Ende das Risiko sich zu verhauen wegen fehlender Markierungen recht hoch ist. Mir ist genau das passiert, im AV-Führer ist diese Stelle sehr missverständlich formuliert. Zwei nachkommende Bergsteiger kannten sich aus. Ich folgte weglos über die Rinne (Foto 02, unten) bis hoch zum „Erdigen Sattel“.
Ab da stieg ich wieder solo weiter, weil mir noch nicht nach Pause war. In leichter (I-II), aber teils ausgesetzter Kletterei ging es über brüchigen Fels bergan, auf einen Grashang direkt unterhalb des Hinterbergkopfs (Foto 03). Am Fuß des Hinterbergkopfs befindet sich das Kaunrad-Wandbuch von 2010, das vielleicht fünf beschriebene Seiten hat, heute waren allerdings bereits drei Bergsteiger vor mir da gewesen.
Eine glitschige Felsplatte überwand ich mit Hilfe von Stahlseilen und querte dann diagonal, mehr oder weniger weglos, zum Gratrücken, der vom Hinterbergkopf zur Sittersbachscharte herab zieht. Bei einem großen Steinmann oberhalb der Sittersbachscharte machte ich Pause und genoss die beeindruckende Aussicht auf Watzmann, Teufelshörner, Hinterberghorn und natürlich das obere Sittersbachtal mit der Reiteralpe im Hintergrund. Den Besuch des nahen Hinterbergkopfs verkniff ich mir. Ich wollte den Hintersee unbedingt noch bei Tageslicht erreichen.
Beim Abstieg durchs Sittersbachtal stand ich plötzlich einem Gamsbock gegenüber, höchstens 15 m Luftlinie entfernt, aber durch eine tief eingeschnittene Wasserrinne getrennt. Wir schauten uns minutenlang an. Ich glaubte an seinem Gesichtsausdruck zu erkennen, dass er ganz genau wusste, wie sicher er vor mir war.
Bereits auf dem Forstweg angekommen, brachte die schon sehr tief stehende Sonne das Herbstlaub noch einmal zum Glühen, zusammen mit dem strahlend blauen Himmel und der Kuppe des Predigstuhls (Reiteralpe!) ein tolles finales Bild (Foto 05), das zu dieser wunderbaren, einsamen, anstrengenden Tour passte.