So-so, der
AndiN hat’s also Mitte Juli „getan“ – nun sind also auch der „Kraxelopa“ und ich „geoppelt“:
Eine Kaltfront hatte am WE die schwül-heiße und labile Gewitterluft weggeräumt und nach einem völlig verregneten Sonntag mit eingelagerten Gewittern kündigte sich für Montag (wieder mal) ein kurzes Zwischenhoch an, bevor der Dienstag bereits wieder mit einer gewittrigen Front enden soll... Wir wollen nicht länger warten und diesen Kletterklassiker in Angriff nehmen. Nach bald 30 Jahren wird es für‘n „Kraxelopa“ zwar eine Wiederholung sein, doch sein Erinnerungsvermögen wird ihm helfen, dass er heute mit mir diese Route wieder „völlig neu“ erleben wird.
Mit der Einstellung, dass es nach dem Regentag nicht wirklich eilt (der Fels darf trocken werden), starten wir nach 8:00 Uhr in RO und tuckern bis Kössen gemütlich den vielen LKW’s hinterher. Die Mautstrasse (derz. 4.- € Strassenerhaltungsgebühr) ist aber frei und noch vor 10:00 Uhr steigen wir am P
Griesener Alm (988 m) ins Abenteuer. Wie es sich für Kletterer gehört, nehmen wir brav die Abkürzung hinauf zum versicherten Eggersteig in die
Steinerne Rinne – lt. der Beschreibung R 54a im älteren Kaiserführer soll es sich nur um 15 min Zeitersparnis handeln...
...
Zugang: ...in die Steinerne Rinne und auf dem Eggersteig durch sie empor bis kurz vor die erste große Steilstufe, in Fallinie der Beichtstuhlscharte. Links wenig empor zum E am Beginn der am weitesten rechts verlaufenden (südlichsten) Steilrinne.
Nach der langen Querung in die Steinerne Rinne hinein, schickt sich bald oberhalb einer Rechts-Kehre der Eggersteig an, an einer Felsstufe Höhe zu gewinnen. Nach oben hin ist durch Restfeuchte (Nebel) die Sicht begrenzt und wir rätseln, wohl wie bereits viele andere vor uns (entsprechend der ausgetretenen Spur zu den Felsrinnen hin), ob dies bereits hier die „erste große Steilstufe“ sein könnte und damit die originale Führe „R 393 Nordkante“ beginnt. Doch der feuchte, moosdurchsetzte Fels überzeugt uns nicht – unbemerkt ist dabei eine viertel Stunde vergangen – und mit dem Gedanken, dann halt den etwas oberhalb gelegenen alternativen Einstieg R 393a zu verwenden, steigen wir höher. Doch dann gelangen wir an einen „größeren“ und steileren Felsaufschwung in der Rinne – und sehen auch die (steinerne Gedenk)„Tafel“, von der im älteren Topo von 2003 aus Bergsteigen.com die Rede ist (ca. 1550 m).
Heute sind (für mich) erstmals die Kletterpatschen dabei, da mehrere IVer-Stellen in der Führe liegen werden, auch verspreche ich mir von den zahlreichen IIIer-Passagen einen „technischen“ Vorteil. Es ist 11:45 Uhr, als wir uns die „1. SL“ in einer breiten Rinne mit noch aufgenommenem Seil „warmkraxeln“, doch bald nach dem ersten Standring steilt sich der ggfs. brüchige Fels auf, der hier in seiner nordseitigen Ausrichtung auch noch etwas feucht ist. Da mir der seilfrei voraussteigende „Kraxelopa“ nach unten meldet, dass diese Möglichkeit wohl schwerer als die beschriebene III sein könnte, baue ich mir einen provisorischen Stand – und lasse mir von oben das Seil zum gesicherten Nachstieg über diese Stelle kommen – doch wiederum wird uns dieses Manöver mind. eine viertel Stunde in Anspruch nehmen. Im Rinnensystem, mit einer kurzen feuchten III+ Stelle am Klemmblock, klettern wir im Nebel weiter nach oben – und sind recht froh, wenn einer der wenigen (gesehenen) alten Normalhaken uns zurückmeldet, noch auf dem „rechten Weg“ zu sein. Gegen 13:45 Uhr erreichen wir den Grat etwas oberhalb der
Beichtstuhlscharte und lassen uns mehr durch das „sprechende“ Gelände als durch die magere Beschreibung bzw. das Topo aufwärts leiten. Irgendwie haben wir es heute aber nicht so mit der Orientierung, denn als ich um 14:15 Uhr eher zufällig einen „unscheinbaren“ Ringhaken entdecke, haben wir völlig den Bezug zur Zeichnung auf dem Topo verloren. Auch fällt es uns schwer, die Begriffe „Riß“, „Band“ oder „Zacken“ aus der Beschreibung des Kaiserführers eindeutig in die Natur zu übertragen, es gibt diese tatsächlich mehrfach... – und wie ist „eine kleine Mulde am Ende einer von oben herabziehenden Rinne“ zu interpretieren? Bei der Vorbereitung am Vorabend auf der gemütlichen Couch mit Sicherheit anders als heute im Gelände. Wie „groß“ darf eine „kleine Mulde“ aussehen und wie „flach“ eine „herabziehende Rinne“?
So kommt es, dass wir eher intuitiv dem Gelände ein Stück aufwärts folgen und in eine kleine Scharte mit steilerem Abbruch gen Osten gelangen. Schräg über uns sehen wir eine Bandschlinge in einer nordostseitig ausgerichteten, glatten und steilen Wand hängen, die sich nach oben hin weiter aufsteilend für viele Höhenmeter fortsetzt. Nein, hier muß es sich um eine andere Kletterführe handeln, viel schwieriger als das was wir vorhaben – nein, hier geht’s für uns nicht weiter – und außerdem müssen wir eher auf die Westseite, schließlich soll von dieser Seite auch die „Ostlerführe“ (R 392) in unsere „Nordkantenführe“ einmünden, so jedenfalls zeigt es auch ein Fotoausschnitt vom unteren Teil der Predigtstuhl-Westwand im Kaiserführer. Als wir von der kleinen Scharte wieder nach unten steigen, entdecke ich wiederum eher zufällig einen „unscheinbaren“ Ringhaken in einem niedrigen Felswanderl, nicht allzu weit oberhalb des vorherigen – und schon gar nicht im annäherndem Abstand einer Seillänge – Verwirrung pur. OK, unter der Annahme, dass diese beiden Ringhaken etwas mit unserer Tour zu tun haben, was wäre dann eine logische Fortsetzung? Diese Erklärung finden wir eigentlich nur in einer etwas luftigen Schrofen-/Felsquerung in Richtung Westen (ca. 1850 m). Ungesichert, jeder das halbe Seil aufgenommen über den Körper gelegt kraxeln wir der Sonne entgegen, das Gelände ist nicht schwer, nur können wir nicht sicher sein, ob die Steine nur auf uns „gewartet“ haben... Noch bevor wir an der Westwand ankommen, kommen mir Zweifel, zu wenig „aufgeräumt“ ist es hier und es ist auch kein (alter) Haken zu entdecken. Nochmal laut die Beschreibung lesen, eine Zuordnung im Topo versuchen zu finden, keine Idee... – aber das vor uns aufstrebende Gelände betrachtend, könnte hoch über uns in der Steilwand ein Felsband verlaufen... Hmm, erstmal wieder zurück zum letzten „sicheren Eisen“. Aha, in einem kleinen Felsspalt steckt ein flacher, von der Position her eher unbrauchbarer Edelstahlhaken, hier über dem Abgrund sind also wohl schon andere Kletterer herum geirrt. Zurück am „Eisen“ steht bereits der Gedanke des „geordneten Rückzuges“, sprich das Umkehren, im Raum unter dem inzwischen tiefblauen Himmel – doch noch einmal die Beschreibung lesend (die neuen Ringhaken können dort nicht erwähnt sein), das an dieser Stelle (wirklich) unbrauchbare Topo betrachtend (es fehlen eindeutige Begriffe aus der alten Beschreibung bzw. eine Expositionsangabe), steigen wir einer schwachen Vermutung folgend – und der Annahme, die beiden Ringhaken könnten doch eine logische Anordnung haben – noch einmal in die kleine Scharte hinauf. Von dem möglichen Felsband oben ist von hier kaum mehr etwas zu sehen, der Zweifel versucht wieder die Oberhand zu gewinnen, doch ich klettere von der kleinen Scharte noch schnell ein paar Meter einen Felsabsatz hinauf (über das hinunter kommen mache ich mir keine Gedanken...), bis auf die Höhe der Bandschlinge in der Wand – und wow, wirklich, unsichtbar von unten klebt dort im Fels ein neuer Bohrhaken, aber ohne Ring.
Später, am nächsten Tag beim Auswerten der Zeitstempel von den gemachten Fotos werde ich erkennen, dass wir in diesem Bereich mit unserer Suche tatsächlich mind. 1,5 Std. versch...n haben!! Im nachhinein, nun die gesamte Nordkantenführe kennend, ist mir auch klar, dass wir hier unmittelbar vor der (nur!) in der Kaiser-Beschreibung genannten „
Matejaktraverse“ gestanden sind, über unser schrofiges „Suchgelände“ wohl die Einstiegsvariante (R 393a) zur Nordkante heraufkommt – und dass es sich bezogen auf das Topo um den Beginn der „7. SL“ handeln muß. Das nächste Mal (in 25 Jahren?) weiß ich es hoffentlich besser (wenigstens wo ich nachsehen muß!) – und vielleicht spart diese Zuordnung hier ja mal einem Leser wertvolle Zeit...
Es ist inzwischen etwa 16:00 Uhr, als wir diesen Bohrhaken (und nicht den Ringhaken einige Meter tiefer) als Standplatz verwenden und „Kraxelopa“ dankenswerterweise im Vorstieg „sehr ausgesetzt nach links „Matejaktraverse“ in eine kurze kaminartige Steilrinne“ quert. Die Exposition ist dabei ostseitig – und die kurze Schlinge aus Reepschnur hinter der längeren Bandschlinge hat in dieser glatten Steilwand durchaus seine (technische) Berechtigung... In der vom Schärtchen bzw. meinem Standplatz nicht einsehbaren Steilrinne geht es mehrere Meter nach oben – und dann noch einige Meter weiter bis zu einem alten Schlaghaken, an dem „Kraxelopa“ endlich auch mal eine überfällige Zwischensicherung einhängen kann, ich atme durch. Wir benötigen fast das gesamte 50m-Seil, bis er oben den ziemlich luftigen Standplatz im(!) sog. „
1. Nord-Kantenaufschwung“ erreicht. Im Nachstieg nun diese IVer-Traverse mit den ziemlich kleinen und äußerst wenigen Griffen/Tritten hinüberbalancierend, bin ich mir ziemlich sicher, dass mich der Fels hier ohne die Kletterpatschen wohl „abgeworfen“ hätte. So kann auch ich die Steilrinne (IV-) zügig hinaufklettern und vor dem Stand sogar die direktere „Abkürzung“ (III). Die nächste SL in einem längeren Doppelriß (III/III+/IV-) gehört mir im Vorstieg und ein breiterer, aber luftiger Sims in der fast senkrechten (Nord)Wand leitet nun westlich hinüber hinter einen markanten Zacken aus einer abstehenden Felsschuppe (17:00 Uhr). Nach diesem Schärtchen verhauen wir uns wieder etwas (Lesefehler: aufwärts -> abwärts), indem wir die versperrende Rippe der offensichtlicheren Möglichkeit geradeaus folgend abwärts und kompliziert umklettern – ein größerer Stein verabschiedet sich polternd hinab in die Steinerne Rinne – anstatt diese zu übersteigen. Doch wenig später haben wir die
schrofige NW-Flanke erreicht, an der nun die wenige Jahre ältere „Ostlerführe“ (Juli 1904) herauf kommt. Abgeleitet aus der SL-Einteilung im Topo sind wir etwas über der Hälfte, aber endlich doch mal Zeit für eine knapp halbstündige (Regenerations)Pause im warmen Licht der Nachmittagssonne.
FS folgt...