So waren wir ein paar Jahre später wieder hier unterwegs, um diesmal vom PP hinter Durchholzen noch vor der Winkelalm nach Osten abzubiegen und an der Ruine der alten Jöchlalm vorbei auf die Jöchl-Scharte und den (Tiroler) Heuberg zu steigen. Da wir nun wußten, was uns auf dieser Überschreitung erwarten würde, hatten wir keine Kletterausrüstung mehr dabei, dafür aber immerhin 1½ Liter Flüssigkeit im Gepäck.
Zuerst können wir entlang des Geländekammes aufsteigen, dann aber wird der Baumbestand von Latschen abgelöst und wir weichen durch eine kleine Latschengasse in den Hang hinein aus, um dort in einer Grasrinne weiter aufzusteigen. Wenig später stehen wir unter unserer damaligen Abseilstelle - und folgen dem offenen Gelände - leicht abwärts! Noch um einen kleinen Felsgrat unten herum und wir können „irgendwie“ zum Grat hinauf aufsteigen. Auf die umgekehrte Wegführung kann man eigentlich von der anderen Richtung her nicht wirklich kommen, doch dafür führt offenbar ein kleiner Latschenschlurf am Grat weiter, den wir damals wohl auch genommen hatten...
So manchen Felszacken überkraxelnd, aber auch seitwärts umgehend, kommen wir heute zügig voran, blicken immer wieder zurück auf die ungewohnte Perspektive mit dem Heuberg und erreichen schließlich einen kleinen Gratgipfel, auf dem ein bekannter roBergler im Jahr 2012 ein kleines Kreuzerl aufgestellt hat – ein passabler Platz für eine kleine Rast. Das kleine Gipfelhefterl im Schraubglas weist für die ersten Jahre kaum Eintragungen auf, erst in diesem Jahr sind wohl mehrere Begeher hier vorbei gekommen.
Unsere nächste Rast machen wir am kleinen Gipfelkreuz des Kl. Roßkaisers und steigen dem Gr. Roßkaiser mit dem größeren Kreuz aufs Haupt. Hier treffen wir einen jungen Bergler, der erzählt, dass er vor zwei Monaten mit einem großem Rucksack diese Überschreitung gemacht hatte, sich aber an einer späteren Stelle am Grat nicht weitergetraut hatte und es heute nun erneut versuchen wollte. Da er erst seit wenigen Jahren in der Nähe wohnt, ist seine alpine Erfahrung noch nicht so groß und auch heute ist er, wieder allein unterwegs, an der gleichen Stelle umgedreht.
Wir bieten ihm an, sich uns anzuschließen und gelangen alsbald an „seine Schlüsselstelle“. Es ist ein steilerer Abstieg mit kleinen Trittflächen auf denen kleines Gestein herumliegt und im ungünstigsten Fall als „Rolllager“ dienen kann. Gemeinsam meistern wir dieses Gratstückchen und steigen vorsichtig entlang der Gratschneide über die Kesselschneid-Gratgipfeln hinüber zur Pyramidenspitze. Wir plaudern noch eine Weile, dann wird er in südl. Richtung zu seinem deponiertem Rucksack an der Hochalm absteigen, wir dagegen auf dem Normalweg hinunter ins Winkelkar und zum Brunnen an der Winkelalm, der heute nur ein müdes Rinnsal ist. Macht aber nix, wir sind heute mit unserem Wasservorrat hervorragend ausgekommen...
Nachtrag (05.10.2016) - Vergleich mit der
Hackenkopf-Überschreitung:
Diese wird - wie
BFklaus später auch erwähnt - im AV-Führer
Kaisergebirge (11.Aufl. 1990) in der Kurzbeschreibung mit der alpinen Schwierigkeit
"II (eine Stelle), überwiegend leichter und Gehgelände" angegeben.
Für die hier beschriebene Tour schreibt dieser AV-Führer für den Übergang von der Vord. zur Hint. Kesselschneid:
"II (wenige Stellen), überwiegend leichter, tw. luftige Gratkletterei an stellenweise brüchigem Fels" und für die weitere Etappe zum Roßkaiser:
"II, überw. leichter, tw. brüchig".
Im Haupttext wird dann von einer
"Grat- bzw. Felsschneide" gesprochen (vgl. Bilder) - und genau hier liegt m.E.
die größere Schwierigkeit gegenüber den Hackenköpfen: Mann bzw. Frau muß hier noch konzentrierter, trittsicherer und v.a. schwindelfreier sein, denn an der Nordseite geht's abrupt um einige hundert Meter nach unten...
Bild 6: Kreuzerl eines bekannten roBerglers auf einem Zwischen-Gipfelchen im Roßkaiser-Grat (Hintergrund: Wendelstein-Inntal-Kranzhorn-Heuberg)
Bild 7: Blick zurück zum Hauptgipfel Gr. Roßkaiser (1971m)
Bild 8: Blick voraus zu den Kesselschneid-Gipfeln und der Pyramidenspitze (1997m)
Bild 9: Pyramidenspitze und dessen kleinere Schwester, die Jofenspitze (1892m)
Bild 10: Das
ersetzte und nur wenige Tage alte Gipfelkreuz der Pyramidenspitze, dahinter Gr. Roßkaiser und Ht. Kesselschneid