Hallo liebe roBerge-Forumsgemeinde,
in dem Thema Brünnstein N-Flanke sind in letzter Zeit einige naturkundliche Aspekte geäußert worden, die in ihrer Intensität nicht das Ziel des Themas waren, als ich es vor etwa 2 Monaten einrichtete. Um den entstandenen Gesprächsbedarf zum Thema Brünnstein und Naturschutz dennoch zu befriedigen, habe ich mich entschlossen, unter der Rubrik Natur ein neues Thema abzuzweigen.
Der bisherigen Diskussion entnehme ich, daß Bergsteiger sich in einem Spannungsfeld zwischen Naturerleben und Beeinträchtigung derselben bewegt. Daher gibt es einen Meinungspol, der die Haltung vertritt, man müsse Menschen komplett aus der Natur heraushalten, damit diese u.a. nicht die Tiere in ihrer täglichen Lebensweise stören. Der andere Pol vertritt hingegen die Auffassung, daß nur der Mensch, der mit Natur konkret in Berührung kommt, auch pfleglich mit ihr umzugehen vermag. Daher müsse der Mensch als Subjekt der Natur aufgefaßt werden und könne nicht so ohne weiteres aus ihr verbannt werden.
Im Bereich des Brünnsteins finden wir folgende Randaspekte vor: Eine SO-Seite, die mit zwei Bergsteigen bzw. Klettersteigen wandermäßig sehr gut erschlossen ist. Am sogenannten Gipfel 1619 m finden wir eine Kapelle und ein Gipfelkreuz mit Gipfelbuch. Der wahre Gipfel, 1634 m, ca. 300 m vom Gipfelkreuz entfernt ließe sich über eine alpine Wanderung erreichen; faktisch wird er sehr selten erstiegen. Im westlichen Bereich des fast 3 km langen Kammes von der Kapelle über die Rotwandlspitz bis hinüber zur Brünnsteinschanze befinden sich in dem bewaldeten und teils felsigen Gelände eine größere Gamsfamilie und einige Steinböcke. Zumindest die Steinböcke wurden von Menschen vor vielen Jahren neu angesiedelt, nachdem sie im vorigen Jahrhundert schon einmal ausgerottet waren. Sie scheinen sich nicht an den vielen Menschen zu stören. Die Gämse sind da schon empfindlicher. Am Brünnsteinkamm können vereinzelt Schneehasen beobachtet werden.
Seit einiger Zeit (diesem Jahr oder dem Vorjahr) gibt es durch die Brünnstein N-Flanke eine kleine Steiganlage von einem unbekannten Erbauer, die erfahrenen Bergwanderen einen Zugang durch die Brünnstein-N-Flanke vermitteln. Meine Vermutung, daß diese der Einstieg in eine Skiabfahrt durch die Brünnstein N-Flanke darstellt, wird somit genährt. Auf die Skiabfahrt gehe ich noch unter dem Thema Skitouren ein. Nur soviel: Aufgrund der ungünstigen Exposition in sehr steiler Lage ist die Lawinengefahr in der Brünnstein N-Flanke beträchtlich. Daher wird dieses eine sehr späte Skitour sein. Wahrscheinlich werden bei einer möglichen Befahrung dieser Tour auf der S-Seite des Brünnsteins bereits die Osterglöckchen blühen. Deshalb glaube ich persönlich nicht daran, daß etwaige Skitouristen die Wildtiere von einer Nahrungsaufnahme abhalten. Die Tiere werden zwar genervt sein, würden aber bereits an den aperen Stellen auf der S-Seite des Brünnsteins Futter finden. Ich halte es auch nicht für sehr wahrscheinlich , daß die Wildtiere ausschließlich auf der N-Seite des Brünnsteins ihr Rückzugsgebiet haben. Davon zeugen die vielen Gamswechsel zwischen dem Brünnstein und der Rotwandlspitz; teilweise bis zu vier Spuren hangparallel übereinander!
Die Steiganlage durch die Brünnstein N-Flanke kann mehrere Auswirkungen haben:
1) Sie lockt Personen an, für die der Brünnstein mit seiner Pseudo-Überschreitung -- Normalweg und Klettersteig -- bislang zu unattraktiv war; durch den Abstieg zu den Groß-Almen bietet sich eine richtige Überschreitung an. Mehr Menschen besteigen den Brünnstein.
2) Personen, die bereits auf dem Gipfel sind, versuchen den Weg, der nach wie vor nirgends bezeichnet ist, aufzufinden.
Wenn sie das Drahtseil sehen, dann hat dieses einen Lenkungseffekt, da andere mögliche Abstiegsoptionen durch die N-Flanke nicht in Erwägung gezogen werden, sondern nur das Band auf den Sporn. Es gibt etwas weniger Besteigungen auf der S-Seite, dafür um so mehr auf der N-Seite des Brünnsteins, dort nur an der einen Stelle.
3) Menschen lehnen eine weitere Erschließung des Brünnsteins ab und befürchten einen zu starken touristischen Druck auf die Natur. Daher werden sie den Brünnstein meiden. Weniger Menschen besteigen den Brünnstein.
Vom alpinistischen Standpunkt aus betrachtet ist der Durchstieg durch die N-Flanke wertvoller als ein zweiter Anstieg auf der S-Seite. Wir dürfen nicht vergessen, daß dieser bis dato der einzige bekannte Durchstieg nach N in der Kette Brünnstein - Rotwandlspitz - Brünnsteinschanze darstellt, die immerhin 2,8 km mißt!
Was mir im vorangegangenen Thema aufgefallen war: daß fast jeder Gesprächsteilnehmer sich als der bessere Umweltschützer sah; jeweils aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Das Thema Brünnstein N-Flanke hat folgende Umweltschutz-Reaktionen hervorgerufen:
1) Jäger als Hüter von wildlebenden Tieren werden in ihrer Arbeit beeinträchtigt, wenn Touristen sogenannte sensible Bereiche betreten und dabei die Tiere stören.
2) Im Brünnstein Bereich gibt es ganz seltene Wildtierpopulationen, nämlich das Steinwild. Ein Betreten des abseitigen Brünnsteins beeinträchtigt diese.
3) Gegenreaktion zu 1) Jäger sind keine Umweltschützer. Nur weil sie beste Verbindung zur offiziellen CSU-Staatsregierung haben, werden sie offiziell als solche wahrgenommen. In Wirklichkeit beeinträchtigen sie die Natur mit den Wildtierfütterungen und den Abschüssen, den Ansiedlungen neuer Arten, etc.. Angeblich verwechseln sie sogar Steinböcke mit Gämsen.
4) Gegenreaktion zu 2) Steinwild ist - wenn es von Menschen angesiedelt wird, sehr zutraulich und nicht so nervös. Eine Neuansiedlung bürgt nicht für eine authentische Natur. Hier bleibt also der Beigeschmack, daß der Mensch in den Kreislauf eingegriffen hat.
5) Haltung hier auf roBerge.de: Es ist sehr vielen Teilnehmern bekannt, daß es abseits der offiziellen Wegbeschreibungen noch weitere Wege gibt, die sogenannten Geheimtips. Immer, wenn solch ein Geheimtip offenbart wird, ist die Empörung groß. Die Moralkeule Umweltschutz wird rasch geschwungen. Doch vorher wurde der Geheimweg totgeschwiegen. Sozusagen aktiver Umweltschutz durch Verschweigen.
6) Der alpine Wert einer -- in den Augen der radikalen Umweltschützer -- frevelhaften Wegbeschreibung wird sehr rasch angezweifelt. In diesem Fall habe ich den alpinen Wert sicherlich anhand der oben stehenden Fakten belegen können.
7) Weitere Reaktionen: Entweder wird ein radikales Begehungsverbot a la Geigelstein gefordert oder man befürchtet es bei Bekanntwerden einer solchen Wegführung.
Mein Kommentar hierzu: Nur Polizei und Försterei kann solch ein Begehungsverbot durchsetzen. Da die Forstwirtschaft in der Staatsregierung keine oberste Priorität hat (wir sehen es daran, daß immer mehr Forstdienststellen aufgelöst werden und die Förster als Hauptschullehrer eingesetzt werden) und außerdem der Brünnstein im Gegensatz zu den Großstädten keinen kriminalistischen Schwerpunkt darstellt, wird es in Zukunft auch keine Neuausweisungen von Naturschutzgebieten geben. Die aktiven Bergwachtler, die ursprünglich auch für die Aufrechterhaltung von Anstand und Sitte gegründet wurden, werden mir sicherlich bestätigen, daß sie gegenüber Umweltfrevlern genauso mächtig sind, wie der Parkwächter am Spitzingsattel!
Bei der gegenwärtigen Staatspolitik wird es den Jägern also nicht gelingen, ihre Pacht sozusagen wasserdicht zu bekommen.
Viel Stoff für solch ein Thema,...
Viel Spaß beim Durchlesen und Widersprechen wünscht
moebius