Nachdem sich heißes, aber recht stabiles Hochsommerwetter für Mitte dieser Woche abgezeichnet hat, habe ich einige Freunde dazu überreden können kurzfristig auf eine Hochtour auf den Großvenediger mitzukommen. Wir entschieden uns für den Anstieg von Osten über die Neue Prager Hütte (2796m). Es wurde eine zwar lange und anstrengende, aber technisch wenig schwierige und wunderschöne Hochtour.
Über den Großvenediger und deren Anstiege finden sich unzählige Informationen, daher spare ich mir eine genauere Beschreibung der Wegführung und beschränke mich auf meine persönliche Eindrücke und andere wichtige Informationen.
Für mich ist der Großvenediger ein besonderer Berg, da ich ihn schon von früher Kindheit immer wieder bewundert habe. Sieht man ihn gerade vom Münchner Umland bei guter Fernsicht als eine äußerst markante, formschöne, flache und weiße Pyramide. Wer in den Ostalpen unterwegs ist kann sich auch kaum diesen schönen Berg entziehen, sticht er doch bei guter Fernsicht sehr oft heraus. Daher ging damit für mich ein Traum in Erfüllung diesen Berg mal selbst bestiegen zu haben.
- Anfahrt von Norden durch den Felbertauerntunnel, Maut knackige 11 EUR pro Durchfahrt. Hin- und zurück löhnt man damit schon 22 EUR. Bei 4 Personen noch verschmerzbar, bei weniger muss man sich das schon überlegen.
- Am Matreier Tauernhaus gibt es einen großen kostenpflichtigen Parkplatz. Kosten für 2-54 Tage liegen bei weiteren 14 EUR (Parkautomat nimmt Scheine und Münzen an, keine Karten). Der zweite Parkplatz hinter den Gebäuden an der Straße vor der Schranke ist Anwohner und Anlieger vorbehalten. Man braucht also gar nicht erst anfangen dahinten nach was zu suchen um sich ein paar Meter Fußweg zu sparen.
- Vom Matreier Tauernhaus nach Innergschlöß kann man sich auch fahren lassen. Es gibt ein Taxi mit einem Kleinbus und eine Bimmelbahn. Kosten irgendwas um die 5 EUR. Nachdem wir sie nicht benutzt haben habe ich keine genaueren Infos. Wir sind beide Richtungen zu Fuß gegangen, hin den Wanderweg über die "Hohe Achsel", zurück die Fahrstraße. Der Wanderweg ist zwar anfangs recht steil aber gerade im Aufstieg sehr empfehlenswert, da deutlich schöner und abwechslungsreicher. Die Fahrstraße ist halt eine Fahrstraße. Stupide, dafür gleichmäßig und gerade im Abstieg wenn man schon recht müde ist deutlich angenehmer zu gehen. Zudem kommt man auf der Fahrstraße an der Felsenkapelle vorbei die man sich so auch noch anschauen kann. Bis Innergschlöß muss man ungefähr 4,5km und ca. 200 Höhenmeter zurücklegen.
- Nach Innergschlöß geht es nochmal ca. 1,5 km flach das schöne Gschlößtal rein. Danach geht es knackig steil hoch zur Neuen Prager Hütte. Für den Aufstieg wählten wir den Gletscherweg über den Salzbodensee der zwar ein kleiner Umweg ist und ein paar weitere Höhenmeter kostet, aber deutlich schöner und abwechslungsreicher ist. Der Blick vom Salzboden auf das Schlatenkees und der Weg durch das Gletscherschilff ist äußerst sehenswert! Auch ist in dem Nordhang zum Salzboden noch länger Schatten über den man sich bei diesem steilen Aufstieg sehr freut. Im Abstieg wählt man besser den direkten Weg der in unzähligen Serpentinen steil zum Talboden hinabführt.
- Beim Aufstieg kommt man auf 2489m an der Alten Prager Hütte vorbei. Diese Hütte wurde nur kurze Zeit benutzt, da nur nach wenigen Jahrzehnten die Neue Prager Hütte errichtet wurde. Das interessante daran ist, dass so die alte Hütte im Urzustand ohne jegliche Umbauten und Erweiterungen geblieben ist. Die Hütte ist unter Denkmalschutz und wurde in den vergangenen Jahren liebevoll restauriert. Wie es der Zufall will wurde die Alte Prager Hütte nur vier Tage vor uns als Museum feierlich eröffnet. Die Türen sind offen und man kann überall ein paar Meter in die Hütte rein und den durch Glaswände geschützten und liebevoll hergerichteten Innenraum bewundern.
https://www.alpenverein.de/huetten-wege-touren/alte-prager-huette-urform-hochalpiner-baukultur_aid_33742.html- Die Neue Prager Hütte liegt ungefähr nochmal 45-60 Minuten oberhalb der alten Hütte. Der Aufstiegsweg ist durchgehend durch große Steinplatten recht gut ausgebaut und besitzt eine angenehme Steigung.
Reservierungen auf der Hütte lassen sich dankenswerterweise online vornehmen, so kann man auch sehen an welchen Tagen die Hütte überfüllt ist und wann sie leerer ist. Um die Tour zu genießen empfiehlt es sich die Wochenenden zu meiden. Bei uns war die Hütte von Dienstag auf Mittwoch geschätzt halbvoll und daher alles sehr entspannt. Wir haben Lagerplätze reserviert und bekamen vier Plätze in einem 8er-Zimmer. Die Kissen sind etwas mager und jeder hat zwei Wolldecken. Ist es kälter sollte man sich ausreichend warme Kleidung für die Nacht mitnehmen wenn man kälteempfindlich ist.
Abends (19:00 Uhr) gibt es nur Halbpension auf der Hütte. Das Essen war gut und reichlich (Hauptgericht an diesem Abend Fleischpflanzerl mit Kartoffelmus und Gemüse). Frühstück gibt es in Buffetform (Wurst, Käse, Brot, Marmelade, Müsli) zwischen 6:00-6:30 (vorwiegend Venedigerbesteiger) und 7:00-7:45 (restlichen Gäste).
Zu negativen Kritiken bei der Hüttenbewertung vom DAV bzgl. schlechter Behandlung von HP-Verweigerern kann ich nichts sagen da ich mich für die HP entschieden habe. Vermutlich ist es eher das Jammern verwöhnter Bergtouristen die ein Restaurant erwarten und nicht kapieren wie abgelegen solche Hütten sind. Ich fand das komplette Hüttenpersonal sehr freundlich und entgegenkommend.
- Von der Hütte geht man bis zum Gletscher nochmal knapp 1 Stunde. Man quert hier momentan etliche Schneefelder, die Markierungen und Spuren sind allerdings eindeutig.
- Auf ca. 3000 Meter betritt man am Ende vom "Niederen Zaun" den Gletscher. Im Moment sind die ersten paar Meter ausgeapert und daher Steigeisen auf jedem Fall notwendig. Hier geht es einem ca. 20-30° steilen Hang parallel zu kleineren und offenen Spalten hoch. Wir sind bis zum Anfang vom Firn seilfrei gelaufen um der Mitreißgefahr aus dem Weg zu gehen. Das Seil haben wir aber bereits vorbereitet, so dass an der Firngrenze sich jeder nur noch einhängen musste.
- Der Gletscher ist sonst durchgehend von Firn und weiter oben teilweise auch Neuschnee bedeckt. Der Firn hat eine gute Konsistenz und man sinkt nicht allzutief ein obwohl hier über Nacht nichts angefroren ist bzw. alles am Morgen schon wieder aufgetaut ist.
- Es gibt diverse Spuren über die lange und recht flache Gletscherfläche. Allerdings sollte man nicht blind dahinlaufen und immer ein Auge auf die Spalten haben. Man passiert nur wenige, dafür sind etliche auch recht versteckt und noch zugeschneit! Bei der aktuellen Hitze werden es sicher auch täglich mehr die herauskommen. Seilschaften ohne jegliche Hochtourenerfahren haben hier nichts verloren! Alleingänge sind hier aus meiner Sicht russisches Roulett. Wir haben sogar einen älteren Mann gesehen der alleine ohne Seilschaft unterwegs war... Wie riskant es sein kann haben wir selber bemerkt, als einer aus unserer Seilschaft in der flacheren Gegend an der Venedigerscharte auf einmal mit einem Fuß in eine völlig verdeckte kleine Spalte eingebrochen ist. Er ist zwar sofort wieder rausgekommen, aber es war Warnung genug immer und überall aufmerksam zu bleiben und nicht ungesichert herumzugehen. Die Spur ging genau drüber und etliche sind vorher ohne Probleme drübergekommen..
Im Abstieg sind wir einer Spur gefolgt (etwas höher, unterhalb vom Kleinvenediger) bei der man eine offene Spalte nur mit einem Sprung (1-1,5m) überqueren konnte. Da der Abspruchbereich auch bereits auf einer Schneebrücke war, nicht unbedingt so angenehm.
- Von der Venedigerscharte geht es dann nochmal etwas steiler hoch zum Gipfelgrat. Der Gipfelgrat selbst, über dessen Ausgesetztheit es einige Schauergeschichten im Netz gibt, ist im Moment recht harmlos. Es ist breit und fällt an den Seiten moderat ab. Ich mag ausgesetzte Passagen eher weniger, hab mich aber hier völlig unbeeindruckt gefühlt.
- Inklusive Pausen haben wir fast 5 Stunden ab der Hütte zum Gipfel benötigt. Der Gipfel war fast leer und wir haben ihn eine halbe Stunde nur mit zwei weiteren Bergsteigern geteilt. Wenn man die Geschichten von den Stauungen vor dem schmalen Gipfelgrat liest wissen wir, was für ein Glück wir hatten. Mag sicher auch daran gelegen haben, dass etliche größere Seilschaften vom näheren Defreggerhaus bereits abgestiegen sind. Zu früh auf dem Gipfel zu sein lohnt sich demnach nicht immer, v.a. wenn das Wetter stabil ist. Die Temperatur am Gipfelthermometer lag be 10°C, es war recht wenig Wind und gute Fernsicht.
- Die Aussicht vom Gipfel ist beeindruckend. Richtung Norden war die Fernsicht sehr gut und man konnte vom Dachstein über Hochkönig und Watzmann bis zur Zugspitze schauen. Nach Westen ging der Blick über den Hauptkamm bis zu den Stubaier Alpen und einigen Ötztaler Gipfel. Im Süden war es deutlich diesiger und leichte Bewölkung, so dass man nur die ersten Gipfel der Dolomiten erkennen konnte. Nach Osten ging der Blick zur benachbarten Glocknergruppe.
Beeindruckend ist auch der Blick in den dicken Eiswulst der sich nach Osten über die Nordwand zum Kleinvenediger rüberzieht.
- Nach 50 Minuten am Gipfel ging es an den langen Abstieg mit einer letzten Einkehr auf der Neuen Prager Hütte. Die Speckknödelsuppe dort ist eine absolute Empfehlung!
- Der Abstieg zieht sich dann doch ziemlich in die Länge, v.a. wenn man den Talboden vom Gschlößtal einmal erreicht hat. Dass hier der eine oder andere schwach wird und in Innergschlöß das Taxi oder die Bimmelbahn nimmt kann man niemand verübeln. 2100 Meter und über 15 Kilometer Wegstrecke am Stück mit dem ganzen Hochtourengerödel sind eine ordentliche Hausnummer.
Fazit: Lange und anstrengende, aber leichte Hochtour auf einen der prominentesten Berge der Ostalpen. Der Gletscher ist relativ flach, aber aufgrund seiner versteckten Spalten nicht zu unterschätzen. Weil der Berg sehr bekannt ist und der Aufstieg für eine Hochtour relativ leicht ist, geht es entsprechend zu. Von Touren an Wochenenden würde ich abraten, ist dort dann alles sicher deutlich überlaufener.