Richtiges Verhalten?

Begonnen von mh, 03.11.2015, 11:47

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mh

Hallo Roberge-Gemeinde,

gestern habe ich eine recht seltsame Situation erlebt und wüsste gern Eure Meinung dazu. Ich war auf dem Kramer bei GAP, der ja bekanntlich eher unschwierig, bestens beschildert und markiert und außerdem viel begangen ist.

In einer etwas unangenehmen Querung (bröselig, schmal, etwas erodiert) schließe ich zu einer 3köpfigen Familie auf. Beim Passieren einer Geröllrinne prasseln plötzlich Steinchen auf uns nieder. Wir bringen uns in Sicherheit, dann interessiert uns aber doch, was die Steinchen ausgelöst hat. Einige Meter über uns taucht das Gesicht einer Frau auf, sie fragt etwas kläglich, wie sie denn zu uns (sprich zum Weg) hinunterkäme. Eindeutige Antwort aus vier Mündern: hier gar nicht. In Falllinie liegen zwischen ihr und uns nämlich eine bröselige Rinne und ein kleiner Felsüberhang - für routinierte Kletterer vmtl. machbar, für Otto-Normal-Wanderer nicht. Der Familienvater rät ihr, doch wieder so zurückzugehen, wie sie dort hinaufgekommen sei. Das weiß sie aber offenbar nicht mehr. Sie will unbedingt in Falllinie hinunter - wir raten wieder mehrmals ab. So geht die Diskussion hin und her. Wir fragen, ob sie sich ernsthaft verstiegen hat und ob wir die Bergwacht rufen sollen. Das lehnt sie vehement ab. Sie verlangt von uns, dass wir zu ihr hochsteigen sollen und sie hinunterführen sollen. Das wiederum lehnen wir (der Familienvater und ich) ab, denn wir sind ja auch keine Kletterer, das Gelände ist uns zu bröselig und es macht ja keinen Sinn, dass sich noch zwei Leute versteigen, die dann auch nicht mehr herunterkommen. Da sie partout keine Bergwacht will, gehen wir irgendwann weiter, da uns die Gute bei ihren Kraxelversuchen weiter mit Steinchen eindeckt.
Es lässt uns aber keine Ruhe und an einem Platz mit guter Aussicht schaut der Familienvater nochmal mit dem Fernglas hinüber: die gute Frau sucht offenbar immer noch einen Abstieg. Der Familienvater schreit nochmal hinüber, ob wir die Bergwacht rufen sollen. Das will sie aber auf keinen Fall und beschimpft uns jetzt auch noch - wir sollen endlich aufhören, sie zu beobachten. Okay, dann halt nicht, wir gehen zum Gipfel. Von dort ist das fragliche Gelände nicht mehr einsehbar, wir wissen also nicht, ob die Frau inzwischen wieder in Sicherheit ist.
Sowohl die Familie als auch ich wollen auf der anderen Seite des Kramers absteigen und kommen somit nicht mehr an der Frau vorbei. Wir informieren alle Wanderer, die an der fraglichen Seite absteigen, dass sie Ausschau nach der Frau halten sollten, mehr können wir jetzt nicht tun. Das Unbehagen begleitet mich aber den ganzen Tag.

Frage: wie hättet Ihr reagiert? Holt man -gegen den expliziten Willen der Frau- die Bergwacht, auch auf die Gefahr hin, dass die Gute 2 Minuten später den Abstieg findet und längst über alle Berge ist, bis die armen Bergwachtler daherkommen? Wie ernst ihre Situation wirklich war, kann ich nicht einschätzen, da ich das Gelände, in dem sie herumturnte, nur zum kleinen Teil einsehen konnte. Wie sie da hinaufgekommen ist und was um alles in der Welt sie dort wollte, weiß ich auch nicht (ein versehentliches Abkommen vom Weg ist hier unmöglich).

Was wäre das richtige Verhalten gewesen?
Ratlose Grüße,
Margit

Tuxa

Hallo Margit,
ich glaube, dass Ihr Euch richtig verhalten habt und ihr das Eurige getan habt. Die Bergwacht gegen den Willen der Wanderin zu rufen, halte ich auch für schwierig. In Deiner Situation waren ja noch andere Wanderer unterwegs, die im Zweifel geholfen haben. Und wenn Ihr aufgestiegen seid, war's gewiss noch früh am Tag. Die Bergwacht hätte ich nur bei anstehender Dämmerung geholt oder wenn die Wanderin ohne Handy unterwegs gewesen wäre, also selbst keine Hilfe hätte rufen können und die Gegend einsam und verlassen gewesen wär...
Schwierig ist es allemal. Aber die Frau ist bestimmt wieder heil herunter gekommen...
Grüssli Tuxa

Zeitlassen

Hallo,
jetzt habe ich lange überlegt und versucht, mich in die Verstiegene wie auch in die Passanten hinein zu versetzen.
Ich denke, Margit hat sich richtig verhalten. Die Verstiegene hat sich sehr seltsam verhalten. Der war so nicht zu helfen.
Vielleicht hätte ich die Bergwacht kontaktiert, nicht um sie herbeizurufen, sondern um deren Meinung einzuholen, oder sie vor zu warnen, eventuell war denen die Situation bekannt oder sie haben schon gesucht.
Aber es ist wohl alles gutgegangen, wäre was passiert, wäre es in den Medien.
Herzlich-herbstliche Grüße!








MANAL

Als ich mit zwei Freunden Ende Juli den Watzmann überschritten haben, haben wir auch im Abstieg noch in der Geröllrinne direkt unterhalb der Südspitze, ein älteres Ehepaar mit Tochter überholt die sichtlich überfordert waren und nur sehr langsam vorwärts gekommen sind. Wir haben noch gefragt ob sie Hilfe benötigten und haben es verneint. Wir sind dann weiter abgestiegen und haben noch etwas verfolgt dass die weiter in dem langsamen Tempo sind. Da wir aber schon zu den letzten gehört haben die die Überschreitung gemacht haben (sind bewusst am Watzmannhaus später los um den Trubel erfolgreich zu entgehen) haben wir uns dann doch Gedanken gemacht. Handyempfang ist ja auch nicht im Abstieg und bis zum Wimbachgries runter ist es ein langer Weg mit vielen Stellen an denen man sich konzentrieren muss. Da allerdings das Wetter absolut stabil war und auch die Nacht nicht sonderlich kalt werden sollte haben wir nur noch in der Wimbachgrieshütte Bescheid gegeben, die haben aber auch nur gemeint dass sie mit der Info auch nichts anfangen können...

Ein weiterer Bergsteiger der die Tour in Gegenrichtung angegangen ist haben wir am unteren Ende der Rinne getroffen. Er wollte wissen wie weit es noch ist. Wir haben dann gemeint, dass es noch einiges ist und der Weg alles andere als einfach ist. Daraufhin hat er es eingesehen dass er sich verkalkuliert hat und wollte nach einer Pause wieder umkehren und über das Wimbachgries wieder absteigen.

Dass es für alle nach uns zeitlich knapp war bei Tageslicht wieder zum Parkplatz zu kommen hat auch gezeigt, dass wir pünktlich zum Sonnenuntergang wieder zurück waren und wir waren sicher nicht die langsamsten.

Aber ich habe auch keine Ahnung was man mit Bergsteiger machen kann die partout nicht einsehen wollen dass sie ins Verderben gehen.

eli

Servus Margit,

ich denke, dass Tuxa, Zeitlassen und Manal schon die richtigen Antworten gegeben haben. Auch ich finde, das ihr 4 das Wesentliche  versucht habt.
Offensichtlich deutet das eher aggressive Verhalten der Wanderin wohl darauf hin, dass sie schon leicht in Panik geraten ist, deshalb meine Zusatzfrage: Hatte sie denn selbst ein funktionierendes Handy dabei, sodass sie letztlich auch selbst die Bergwacht hätte verständigen können?

Grüße vom nachdenklichen

Michael

mh

Servus beisammen,

danke für Eure Meinungen, jetzt ist mir schon etwas wohler. Habe heute morgen auch gleich in der Presse nachgeschaut (schluck).

@ Eli: um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob wir gefragt haben. Aber daran ist es bestimmt nicht gescheitert: es war ja erst gegen 12:00 mittags und an diesem Tag waren noch ganze Heerscharen am Kramer unterwegs. Menschen mit Mobiltelefonen sollten also noch "hunderterweise" vorbeigekommen sein...

steff

Schwierige Situation. Man kann sich nur schlecht in die Lage hineinversetzen, wenn man selbst nicht vor Ort war. Ich hätte wohl die Leitstelle angerufen und von dem Vorfall berichtet. Wohl auch aus dem Grund um mein Gewissen zu beruhigen - "melden macht frei".
Ich seh es wohl aber auch aus der Sicht der ehrenamtlichen Helfer. Was sind wir schon zu sinnlosen Einsätzen rausgefahren.  Auf der anderen Seiten muss man froh sein, wenn es Leute gibt die überhaupt die Initiative ergreifen und zum Hörer greifen. Ich red hier noch gar nicht von unterlassener Hilfeleistung, aber wenn man erkennt oder nach seinem Gefühl glaubt dass jemand in Schwierigkeiten ist, sollte man einem helfen. Auch wenn die Hilfe nicht angenommen oder wie hier abgelehnt wird. Oft meinen die Betroffenen, sie kommen aus der Situation wieder heraus. Letztendlich ist man doch froh, wenn professionelle Hilfe kommt.
So bleibt - wie bei Dir- den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen. Und gerade dann, wenn doch irgendetwas passiert wäre. Richtig war auf alle Fälle, dass Du Dich selbst nicht in Gefahr gebracht hast.

Ich hoffe, ich hab Dir jetzt so richtig ein schlechtes Gewissen eingeredet  #hihi#

An scheenan Omnd
Steff

mh

ZitatIch hoffe, ich hab Dir jetzt so richtig ein schlechtes Gewissen eingeredet

Mei, Steff, wias des nur oiwei so zammbringst !  ;D

Vom Bauchgefühl her hatte ich den Eindruck, dass sich die Gute gerade ein wenig "anstellt" und dass man sie nur von der Idee abbringen muss, direkt in Falllinie absteigen zu wollen. Ihren Kletterfertigkeiten nach ist sie an dieser Stelle garantiert nicht hinaufgestiegen. Es muss also eine leichtere Möglichkeit geben, auch wenn die möglicherweise etwas weiter ist (Zeit war aber reichlich da). Leider war die Dame ziemlich "beratungsresistent". Keinesfalls wollten wir uns aber von ihr verpflichten lassen, ihre Abstiegsversuche in Falllinie zu unterstützen. Wie gesagt: nur ein Bauchgefühl, keine objektive Einschätzung.

Ich habe durchaus schon für Leute die Bergwacht gerufen, da war die Situation aber eindeutig (Verletzung nach Absturz). Als ich noch kein Handy hatte, durfte ich auch 2x Leute über viele, viele Höhenmeter zu Tal schleppen, die sich einfach maßlos übernommen hatten (1x völlige Erschöpfung, 1x krasse Dehydrierung). Da war einfach klar: wenn ich keine Hilfe holen kann (mangels Handy oder Netz), dann wird das Problem des anderen mein Problem. Ich kann den da nicht einfach hocken lassen. Heute würde ich in beiden Fällen die Bergwacht rufen, denn der Abstieg mit den beiden Patienten ging doch hart an die Grenzen meiner Kräfte (zwei Rucksäcke schleppen, dazu den Patienten stützen/führen, das eigene Wasser an den Patienten "verfüttern" etc) und meiner Nerven (hält er durch, schaffen wir es vor der Dunkelheit? etcpp). Aber auch da waren die Situationen klar und die "Patienten" haben sich nicht gegen ihre "Rettung" gewehrt, sondern waren saufroh.  ;)

Ciao derweil,
Margit

MANAL

Zitat von: steff am 04.11.2015, 00:02
Schwierige Situation. Man kann sich nur schlecht in die Lage hineinversetzen, wenn man selbst nicht vor Ort war. Ich hätte wohl die Leitstelle angerufen und von dem Vorfall berichtet. Wohl auch aus dem Grund um mein Gewissen zu beruhigen - "melden macht frei".

Wie erreicht man denn eine Leitstelle? Man hat doch Hemmungen gleich die 112 anzurufen und eine direkte Nummer zur Bergwacht habe ich nicht.

Was halt praktisch wäre, wäre eine Nummer unter der man solche "Problemfälle" berichten kann und wo man dann informiert wird und einem gesagt wird wie man weiter vorgeht. Aber wegen Probleme die vielleicht gar keine sind will man ja die Leitung auch nicht für echte Notfälle verstopfen.

Martl

Zitat von: MANAL am 04.11.2015, 09:38
Zitat von: steff am 04.11.2015, 00:02
Schwierige Situation. Man kann sich nur schlecht in die Lage hineinversetzen, wenn man selbst nicht vor Ort war. Ich hätte wohl die Leitstelle angerufen und von dem Vorfall berichtet. Wohl auch aus dem Grund um mein Gewissen zu beruhigen - "melden macht frei".

Wie erreicht man denn eine Leitstelle? Man hat doch Hemmungen gleich die 112 anzurufen und eine direkte Nummer zur Bergwacht habe ich nicht.

Was halt praktisch wäre, wäre eine Nummer unter der man solche "Problemfälle" berichten kann und wo man dann informiert wird und einem gesagt wird wie man weiter vorgeht. Aber wegen Probleme die vielleicht gar keine sind will man ja die Leitung auch nicht für echte Notfälle verstopfen.

Servus Manal,

die 112 ist doch die Leitstelle, die dann informiert, koordiniert, organisiert, ect.
... und vor allem RÜCKFRAGEN stellt.

Das gilt meines Wissens auch im (west)europäschen Ausland (?)

Gruß
Martl

steff

Zitat von: MANAL am 04.11.2015, 09:38
Wie erreicht man denn eine Leitstelle? Man hat doch Hemmungen gleich die 112 anzurufen und eine direkte Nummer zur Bergwacht habe ich nicht.

Jede Leitstelle hat eine "normale" Telefonnummer. Die nutze ich zum Beispiel im Einsatz, wenn ich nicht über Funk (da wo alle mithören) mit der Leitstelle in Kontakt treten will.

Aber am Berg mußt Du halt wissen, welche Leitstelle zuständig ist. In unserer Region wären das die Integrierten Leitstellen Oberland, Rosenheim oder Traunstein. Insofern ist die 112 schon die richtige Nummer. Die Leitstellen haben den gesetzlichen Auftrag alle Notrufe, Notfallmeldungen und sonstige Hilfeersuchen entgegenzunehmen. Wen ihr wüßtet aus welchem Grund Leute den Notruf wählen, dann wäre das in diesem Fall absolut gerechtfertigt  #hihi#

MANAL

Zitat von: steff am 04.11.2015, 14:10Wen ihr wüßtet aus welchem Grund Leute den Notruf wählen, dann wäre das in diesem Fall absolut gerechtfertigt  #hihi#

Das weiß ich eben nicht. Für mich heißt "Notruf" ich brauche UNMITTELBAR Hilfe, z.B. es brennt, es wird eingebrochen oder ein Verletzter liegt da.

Solche Dinge wie jemand der blockiert ist, für den ist aus meiner Sicht nicht unmittelbar Hilfe notwendig. Das kann auch mal eine halbe Stunde länger dauern (außer es kommt ein Gewitter/Unwetter/Schnee/Nacht/... aber dann wäre es auch ein echter Notfall).

Da aus meiner Sicht unmittelbare Hilfe nicht durch anderes behindert werden soll wäre es halt sinnvoll wenn es eine Hilfenummer gäbe bei der man weiß dass es keinen Notruf blockiert.