Auf den Mount Everest - (komplett) ohne Bergerfahrung möglich...

Begonnen von geroldh, 14.06.2023, 19:40

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geroldh

Wir hatten vor einigen Wochen mit dem RoBerge Rätsel 417 das Thema "Frauen (Pionierinnen) im Alpinismus" sowie - "etwas" ausserhalb des roBerge-Gebiets gelegen... - den höchsten Berg der Erde, die "nahegelegene" Hauptstadt und auch "den neuzeitlichen Trubel" am Berg bzw. welche seltsamen "Blüten" das Expeditionsbergsteigen an den 8000ern treibt:
Ich hab ein Rad in Kathmandu
Everest ohne Sauerstoff


Entsprechend einer lokalen Pressemeldung kürzlich in Rosenheim ist die "Himalayan Database" nun um eine "besondere Blüte" reicher (@Insta: "Everest Summiteer 2023"):

Auf dem höchsten Punkt der Welt: ,,Ich wollte nur noch weg - lebend!" (08.06.2023)
ZitatAnamaria B. aus Rosenheim bestieg den Mount Everest - ohne Bergerfahrung.
Unter den Everest-Bergsteigern sind inzwischen immer mehr Frauen zu finden. Anamaria B. aus Rosenheim ist eine davon - und sie ist mit Sicherheit eine der wenigen, die den Gipfel des höchsten Berges der Welt komplett ohne Bergerfahrung erklommen hat. ...


Ja, heutzutage ist es offenbar völlig ausreichend, neben einer gesunden Grundkondition genügend "gelenkig" zu sein, um - mit Sauerstoff wird der Mt. Everest jedoch "nur" ein 6000er - auf den höchsten Punkt der Erde "klettern" zu können...
- Pole Dance Rosenheim
- Românii au talent!

...und alles was mensch an "Qualifikation" braucht, wird nebenbei "unterwegs" gelernt:
- "Is it the training at the BC enough to climb Everest?"
Dies ein Ausschnitt von ihr (KI-übersetzt mittels PONS):
ZitatReicht das Training am BC, um den Everest zu besteigen?
Ja und nein. Im Basislager erfährst du bei @elite-exped (ich kann nicht für andere Unternehmen sprechen) alles, was du über das Besteigen eines Technikberges wissen musst: Du springst über sehr hohe Wände, überquerst und abseilst. Du lernst, wie man Steigeisen benutzt, wie man kickt und wie man greift. Sie lernen, wie man Sicherheit und Geräte wechselt und wie wichtig die doppelte Sicherheit ist. Auch das Überqueren von Leitern gehört zum Training. Um ehrlich zu sein, gab es keine Mauer, die so hart war wie die, die wir beim Training hatten, aber natürlich war es viel schwieriger wegen der vielen Wände und der Eisfall ist wie ein Fastentag: nie endend.
Ich bin ein Anfänger, der versucht, den Everest zu besteigen. Ist das möglich? Es gibt noch viel zu sehen, aber ich kann Ihnen nicht empfehlen, den Everest ohne Erfahrung zu buchen. Wie ihr in meinem nächsten Beitrag und in meinen Geschichten sehen werdet, leide ich sehr, ich weine viel und es war bisher extrem schwierig und anstrengend für mich. Ich denke gerne, dass ich mentale Stärke habe, aber es gab Zeiten, in denen ich auf die Knie fiel und weinte, nicht in der Lage, einen Schritt weiter zu gehen.
Bleib bei mir, ich zeige dir auch die Schattenseiten, nicht nur die glücklichen Siegesmomente.

Warum am Mount Everest so viele Bergsteiger sterben (12.06.2023)
ZitatDas Bergsteiger-Business im Himalaya boomt. Aber in der diesjährigen Hauptsaison starben auch besonders viele Bergsteiger.
...
Einheimische Bergführer sagen zudem, dass viele unerfahrene Menschen am Berg seien, die im Vorfeld kaum hohe Berge erklommen hätten. Dies erhöhe die Gefahr von Staus oben in der Todeszone.
Das bringt nicht nur ihr eigenes Leben in Gefahr, sondern auch das ihrer einheimischen Helfer. In Nepal kann jeder - auch ohne Vorkenntnisse - beim Tourismusministerium die nötige Genehmigung zur Besteigung des Mount Everest beantragen...




Ich habe die TV-Beiträge noch nicht angesehen - es wird sicher wieder schlechtes Wetter geben... - doch darin wird genau diese "moderne Form des Expeditionismus" thematisiert:
Everest Today – Das Ende eines Mythos (62 Min. / 29. Mai 2023)
Talk: Mythos Everest – Vom Pioniergeist zum Massentourismus (65 Min. / 29. Mai 2023)
Mythos Mount Everest – 70 Jahre Erstbesteigung (47 Min. / 22. Mai 2023)



Hierzu passt ganz gut ein Textausschnitt aus dem Kapitel "Bergsteigen zwischen Prestige und Leistung" (S.48-49; hier ist das "Massenbergsteigen im Montblanc-Gebiet" angesprochen) in "Reinhard Karl - Die Kunst, einen Berg zu besteigen" (Herausgegeben von Tom Dauer / 2022), u.a. als "Best-of" von Reinhard Karl's "Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen" aus dem Jahr 1980(!):
Zitat...
Warum machen die Leute diese Modetouren? Haben sie im konformen bürgerlichen Leben die Fähigkeit verloren, eigene Pläne zu entwickeln? Die Wahl einer Tour aus den Modetourenbüchern unterscheidet sich vom geistigen Aufwand her kaum von der Buchung einer Katalogreise. Sicher, die kreative Tat einer Erstbegehung, egal in welchem Schwierigkeitsgrad, ist kaum noch gegeben. Die meisten Bergsteiger sind dazu auch nicht in der Lage. Aber die selbständige Planung sollte trotz Verständigungsschwierigkeiten möglich sein.
Sicher spielt auch das Prestigedenken eine Rolle. Wenn ich sage, dass ich den ... gemacht habe, weiß jeder, dass das eine tolle Sache ist. Wenn ich aber sage, dass ich ... geklettert habe, dürfte wohl jeder fragen, wo denn das sei. Dabei gehören dazu mehr bergsteigerische Fähigkeiten als in einer Schlange irgendwo hochzuklettern.
Ist das Herdenbergsteigen sicherer? Gut, unter so vielen Leuten fühlt man sich stärker, die helfen bei Verletzungen, oder man schließt sich bei einem Wettersturz zusammen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass es nicht so ist. Steinschlag, überhastetes Bergsteigen und "Über-die-Verhältnisse-Klettern" sind die Regel. Noch nie sah man so viele Dilettanten in schwierigen hochalpinen Touren. Viele meinen, wenn sie einen Fünfer im Klettergarten beherrschen, können sie gleich in die Nordwände einsteigen. Aber ... Nach jedem Wettersturz gibt es viele Todesopfer. Obwohl ..., sind viele unfähig, einem Wettersturz auszuweichen. Sie verlassen sich auf ihre teure Ausrüstung und auf ihre "Fähigkeiten". Die Unglücklichen von ihnen bringen den Abstieg mit einem unfreiwilligen Helikopterflug hinter sich.
Der Satz "Es kommt nicht darauf an, was man macht, sondern wie man es macht" bekommt auch in den Alpen seine Bedeutung und zeigt gleichzeitig eine Möglichkeit auf, wie man von den Frustrationen des Massenbergsteigens wegkommen kann.
Konkret: ... Statt des Montblanc-Normalweges einen einsamen 3800er.
Die Tendenz: von der Prestigetour zu der Tour der eigenen Motivation, die den eigenen Fähigkeiten entspricht; von der vorprogrammierten Tour zum selbständigen Abenteuer. Platz für Abenteuer gibt es in den Alpen noch genug.