27.05.2023: Chiemgauer Alpen: (Fast) NaturNah über‘s Sonntagshorn

Begonnen von geroldh, 31.05.2023, 22:22

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geroldh

Heute nehme ich den höchsten Gipfel der Chiemgauer Alpen erneut ins Visier – es soll eine andere und längere Aufstiegsroute sein und mit dem Aibleck darf noch ein weniger bekannter Berg ,,mitgenommen" werden. Obendrein kann ich durch einen einfacheren Anfahrtsweg eine Stunde früher starten – und werde dafür doch eine Stunde später nach Hause kommen, aber davon ahne ich am Morgen noch nichts.

Mit der pünktlichen Abfahrt in RO um 6:39 Uhr und einem sehr relaxten Umstieg in TS in den RVO-Bus 9526 (ab 7:35 Uhr) erreiche ich den Startpunkt Weißbach an der Alpenstraße mit seiner Haltestelle ,,... Weberhäusl" (610 m) gegen 8:15 Uhr. Ein erster Wegweiser ,,Am Litzlbach" weist das ,,Sonntagshorn = 5h" mit einer ,,Wegschwierigkeit = schwarz" aus – eine Route, die aufgrund ihrer Länge eher selten begangen wird.

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Auf einem alten Waldweg aus den 1930er Jahren lässt sich die neuzeitliche Forststraße etwas vermeiden, leider kommt mensch später dennoch in deren ,,Genuss", da sie den alten Weg ,,gefressen" hat – und dann auch noch vor wenigen Jahren etwas länger gegraben wurde. Doch dann ist das Ende der ,,Ausbaustrecke" erreicht und der alte Weg mit weichem Waldboden beginnt – ab hier kann es heute wieder barfuß und naturnah weitergehen. Mit dem enger werden dieses Tales wandelt sich der kleine Weg zu einem Steig, der die Hänge querend immer höher hinaufzieht. Kurzzeitig sind schmale erodierte Stellen zu meistern, hin und wieder auch mal Bruchholz zu überwinden. Hier im schattigen Laubwald ist es eine wahre Freude in dieser Form unterwegs zu sein, auch wenn das Barfußlaufen ein wenig sorgfältiger vonstatten gehen muss.

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Es wird eine offene, mit nur wenigen Bäumen bewachsene Fläche erreicht, die ehemalige Unzentaler Alm (hist. Unxenthal-Alpe, ca. 1210 m / 11:00 Uhr). Dort etwas abseits des Steigs pausierend, nach möglichen Zecken absuchend und Sonnencreme auftragend, kommt Sepp bereits vom Aibleck herunter, sehr wahrscheinlich ist er es, der sich an diesem Tag bereits in das Gipfelbuch eingetragen hat. Ansonsten werde ich im weiteren Aufstieg – und auch am späten Nachmittag beim Abstieg – unterwegs niemanden antreffen.

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Dieser Steig, der 1937 erstmals in der (Zeitreise-)Karte verzeichnet ist, ebenso der Weiterweg ostseitig das Sonntagshorn hinauf, geht in die Latschenzone über und damit endet der weiche Boden. Als dann noch im Schutt in einen Graben abzusteigen ist, ziehe ich die leichten FiveFinger's an, wenige Millimeter Gummi unter der Sohle reichen vollkommen aus, auch bei oberflächlich aufgeweichten Altschneefeldern, die es zu übersteigen gilt, um in einem leicht bröseligen T4-Gelände eine kleine Einsattelung mit ca. 1610 m zu erreichen (etwa 12:45 Uhr). Inzwischen steht die Sonne am höchsten und starke (thermische) Quellwolken schatten das Gelände großflächig ab. Später werden diese wieder stetig kleiner werden und so suche ich mir in Richtung des unscheinbaren Gratgipfels Ochsenhorn einen grasigen und windgeschützten Platz für eine Mittags-Siesta.

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Währenddessen beobachte ich zwei Bergwanderer am Sonntagshorn-Ostgrat absteigen und anschließend auch das nun weiter geschrumpfte Schneefeld in das Hintere Kraxenbachtal – ich vermute deren Aufstieg somit via dem Mittleren Kraxenbachtal (das ich heute hinunter möchte), also ist dies bereits möglich und somit wohl auch vorgespurt. Mag sein, dass ich hier eine ,,wertvolle(?)" Stunde verbummelt habe, aber es ist ja lange hell und gefühlsmäßig die Tour auch noch zu schaffen – außerdem hätte ich den Hauptgipfel später gerne für mich allein... ;)

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Die ,,letzten Meter" das Aibleck (1756 m / 14:45 Uhr) hinauf dauert noch eine gemütliche halbe Stunde – dieser einsame Gipfel ,,gehört" mir schon mal allein. Neben den obligatorischen Aussichtsfotos – es ist heute viel diesiger als vorheriges Wochenende – widme ich mich ausgiebig dem Gipfelbuch, das seine ersten Einträge vom Herbst 2013 aufweist. Bereits in den ,,frühen Jahren" sehe ich zwei bekannte Namen, doch – mich wundert es nicht wirklich :) – mit ,,6.6.20 schneerose" war sie mir in ,,ihrem Gebiet" wieder wenige Jahre voraus. Kaum einen Monat später haben sich dann wohl andere von ihr inspirieren lassen, denn der Eintrag ,,5.7.20 Martl, Günther, Steff, Christian" lässt in dieser Kombination ziemlich sicher weitere roBerg'ler vermuten. Nicht ganz sicher bin ich mir mit der Zeile gleich darüber, ob richtig gelesen mit ,,5.7.20 Eli (gefolgt von drei weibl.? Vornamen) DAV Mühldorf" tatsächlich ,,der eli" gemeint ist...
Besonders aufgefallen ist mir ferner ein Eintrag vom Aug. 2019, also aus dem letzten Sommer ,,v. C.", von einer Sabine: ,,Dem Himmel so nah, der Arbeit so fern – so hab ichs gern!" Nun, dem vermag ich nicht zu widersprechen...

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geroldh

Upps, inzwischen ist es 16:00 Uhr geworden, als ich das GB wieder wegpacke und mich auf meinen ,,Schlussanstieg" mache. Die vermutete ,,Gratwanderung" stellt sich neben einem kleinen Abstieg in die Südflanke – Felstürmchen am Grat sind damit zu umgehen – als etwas geröllige Hangquerung heraus, und im Anschluss gibt's als Zugabe auch noch eine ziemlich bröselige Felspassage (mit Fixseil ausgestattet) zu überwinden. Nun wird mein unbedeutender Gratgipfel der Vorwoche überstiegen, die Sonntagshornscharte durchquert und dann doch so gut wie schneefrei am Ostgrat hochgestiegen. Kurz vor dem Gipfel zeigt ein altes Hinweisschild, dass von hier aus der Ort Weißbach auch in ,,genau" 5 Std. zu erreichen wäre – möglicherweise wollte man unten keine ,,abschreckenden" 6h für den Aufstieg ausweisen... – dann stehe ich ,,ordentlich" auf dem ,,Mount Everest der Chiemgauer Alpen", dem Sonntagshorn (1961 m / 17:30 Uhr). Inzwischen ist der Himmel über mir strahlend blau – gipfeleinhüllende Wolken gibt es noch an den hohen ,,Schneebergen" – aber ich bin erst mal nicht allein heroben, ein einheimischer junger Vater mit seinem Buben genießt den späten, sonnigen Ausblick, bevor es zu einer Alm hinab gehen soll, den hinterlegten Schlüssel der Eingangstüre suchen...

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Den Erhalt der kühlen Temperatur, bzw. die Kühlung meines Gipfelbieres, muss ich doch verbessern (eigentlich ist nur ADI's ,,Kühl-Technik" nachzuahmen...), dann starte ich um 18:00 Uhr meinen Abstieg den Westgrat hinab. Dieser ist kürzlich mit frischen rot-weiß-roten Markierungen versehen worden, jedoch nur von unten herauf zu sehen. Ich benötige sie nicht, aber ich vermisse diese dann doch weiter unten, in der Annahme ein Latschenfeld südseitig umgehen zu müssen. Nein, hier geht's noch weiter hinunter – ins Heutal hinab, da wo ich gleich gar nicht hin möchte... Also wieder hinauf, die ,,begehbare" Reifelbergscharte (ca. 1710 m / 18:30 Uhr) ist tatsächlich nicht an der tiefsten Stelle im Grat zu finden. Nordseitig habe ich bereits hinabgeschaut und unten im Altschneefeld Spuren gesehen, doch einen ,,markierten" Einstieg kann ich erstmal nicht erkennen. Diesen ,,Steig" kenne ich bisher noch nicht, habe aus der Vorbereitung lediglich die Kenntnis, dass es eine ausgesetzte Stelle in der Schwierigkeit UIAA II (oder auch T6) sein soll – eigentlich nichts, was mich mit meiner Erfahrung beunruhigen sollte. Ich starte direkt am Ende des Gratpfads einen Versuch in die steile Nordflanke hinab – es hat den Anschein, dass ich hier nicht der erste bin – und tatsächlich, mich nach einer Markierung umsehend ist ,,in der Wand" ein Stoamandl zu sehen. Na, dies ist doch schon mal ein guter Ansatz – und eine kleine Bestätigung wohl doch einigermaßen richtig zu sein. In Abkletter-Richtung leicht rechts gesehen ist dann auch die frische Farbe ,,rot-weiß-rot" zu finden, eine kleine, ziemlich steile Rinne ist hinabzukraxeln. Das Hauptrisiko ist der viele lose Schutt, der auf den kleinen Simsen liegt, daher habe ich hier mit den Barfußschuhen keinen Nachteil, sondern kann dagegen den direkten Felskontakt erspüren, wesentlich wichtiger ist das Vergewissern, dass auch jeder Griff und Tritt wirklich fest ist. Dieser Bereich stellt tatsächlich die Schlüsselstelle des Tages dar – und weniger erfahrenen Wanderern ist definitiv anzuraten: Bitte nicht nachmachen! (Vmtl. von der Bergwacht sind aber einzelne Standhaken vorhanden.)

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Unten leitet dann ein schmales Felsband auf das Altschneefeld zu, das steil genug ist, um rückwärts, die vorhandenen Tritte nutzend, abzusteigen. Nun habe ich wieder einen angenehmen Vorteil, es ist im Kar noch ausreichend Schnee vorhanden, der sich mit einem schmalen Band direkt am Felsen weit heraufzieht, mit deutlichem Ferseneinsatz lassen sich die Höhenmeter einfach und angenehm vernichten.

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Ab diesem Geröllkar "Grosser-Sand" ist der Steig in der hist. Karte sogar ab 1896 verzeichnet, möglicherweise war diese Scharte ein früher ,,Übergang" für Almerer, Jäger, Schmuggler und Wilderer. Kurz vor der Vorderen Kraxenbachalm Diensthütte (ca. 1250 m / 19:30 Uhr) mahnt ein Wegweiser mit seiner Auszeichnung ,,Sonntagshorn – alpine Erfahrung und Klettergrundkenntnisse erforderlich = 3h" die das Mittlere Kraxenbachtal Aufsteigenden – für mich ist die Gegenrichtung ,,Schwarzachen Almen = 1½h" und ,,Laubau = 2¼h" von Interesse. Inzwischen beleuchtet die Sonne nur noch die oberen Bergflanken und ist, als ich unten im Gebiet der Schwarzachenalm (760 m / 21:00 Uhr) angekommen bin, bereits hinter dem bergigen Horizont untergegangen. Wie in der Vorwoche springe ich gleich in die lange Berghose und wechsele von den Barfußschuhen in die ,,Sieben-Meilen-(Reserve)Schuhe" hinein, denn nun muss ich doch noch ,,Gas geben", denn mit einsetzender Dämmerung bzw. Dunkelheit wird das Trampen immer schwieriger. Beim Holzknechtmuseum scheint es eine Veranstaltung zu geben, denn auf dem Parkplatz stehen noch viele Autos mit TS-Kennzeichen. Das Ende dieser Feier(?) wäre für mich wohl noch eine letzte Möglichkeit mitgenommen zu werden, aber gegen 21:30 Uhr probiere ich erst mal mein Glück direkt an der B305 bei Laubau (ca. 690 m). Tatsächlich, ein Anrainer hält und fährt mich die wenigen Kilometer bis zum Ruhpoldinge Bahnhof hinein, so dass ich mit der Abfahrt um 21:48 Uhr auch noch den erhofften Zug erwische. In TS ist die Weiterfahrt nach RO/M um 22:44 Uhr, es gibt wieder 'nen Burger mit Pommes, und natürlich ist der Zug auch wieder mind. 15 Min. verspätet...

eli

Servus geroldh,

habe mit großem Interesse und Vergnügen deine  großartige Tourenbeschreibung übers Sonntagshorn gelesen.  #danke1# Hat mich natürlich auch an meine eigenen Wanderungen " Der vergessene Berg" in dieser (noch ) ziemlich abgeschiedenen Bergwelt erinnert. 
Der ChristianM. war auch einmal dabei. Die Namen der (insgesamt 3 )  Damen damals werde ich natürlich nicht hier preisgeben.  #hihi#  

Ich hänge noch ein Foto , aufgenommen vom Aibleck , mit dem sagenhaften Blick rüber zu Sonntagshorn, Vorderlahnerkopf und Reifelberge dran. Im Vordergrund ahnt man beim Blick in das Hintere Kraxenbach, wie steil die obere Schuttreißn lst, einmal bin ich da zum Sonntagshorn rauf, das hat mir für immer gereicht.  :laugh:

Danke nochmals und hawedere

eli

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