21.05.2023: Chiemgauer Alpen: NaturNah über‘s „Sonntagshorn“

Begonnen von geroldh, 23.05.2023, 22:00

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

geroldh

An einem sonnigen Sonntag auf's Sonntagshorn zu steigen ist eigentlich eine weniger #guteidee#, möchte mensch eher einsam unterwegs sein. Doch wie so oft: Es kommt darauf an... #gruebelgruebel#

Ich habe mir einen in der Literatur als einsam beschriebenen Aufstieg vorgenommen, das Ganze ergänzt mit der Erkundung einer Grat-Variante – das Sonntagshorn selbst steht bei dieser Planung nur als (optionaler) Abstecher ,,neben" der Route, da der Abstieg durch das (östl.) Hintere Kraxenbachtal gedacht ist. Dank des neuen – und für mich praktisch kostenlosen – Deutschland-Tickets lassen sich Überschreitungen im bayerischen Alpenraum wieder leichter umsetzen.

Doch am Vortag bei der Vorbereitung gab es eine erste verkehrstechnische Hürde zu ,,umschiffen": Wie im Vorjahr (26.08.2022) beim Ristfeuchthorn sollte mich der RVO-Bus 9526 von Traunstein nach Schneizelreuth bringen – doch nach dem aktuellen Fahrplan ,,biegt" er (nur dieses Jahr?) vorher ab... Hmm, wirklich? – und warum?
Ja, auch als Öffi-Fahrer ist es vorteilhaft die Pressemitteilungen der Staatlichen Bauämter, hier Traunstein von Ende April, zu lesen: An der Alpenstrasse wird (immer noch) gebaut, die Erneuerung einer Brücke über den Weißbach sorgt nun für das restliche Jahr für eine Unterbrechung.

Damit gibt es also für mich vorab eine kleine Spazierfahrt mit zweimal umsteigen, die mich in knapp zwei Stunden von Rosenheim an den Steinpass nahe der D/A-Grenze führen soll. Verbindungstechnisch zurückgerechnet kann ich sogar eine Stunde länger schlafen, denn die Abfahrt in RO ist erst um 7:35 Uhr. Sowohl der Umstieg in Freilassing (Plan: 7 Min. / S4, ab 8:40) als auch in Bad Reichenhall* (Hbf. / Plan: 10 Min. / ÖBB-Postbus 260, ab 9:08) funktionieren ,,wie in der Schweiz" – und so entlässt mich der österreichische Bus im Transit (RVO nur an Schultagen) kurz vor halb-zehn(!) an der Abzweigung nach Ristfeucht / Melleck.

* Zwei Hinweise: Wenn der Umstieg am Hauptbahnhof zu knapp ist, ,,als Versuch" bis Haltepunkt ,,...-Kirchberg" weiterfahren (ca. 2 Min. / Zugausstieg hinten!), auch dort ist eine Haltestelle ,,Kirchberg/Luitpoldbrücke" dieser Bus-Linie (4-5 Min. Fahrzeit) – und auf Abschnitten innerhalb D's gilt das D-Ticket (anders hinter Oberstdorf beim Walserbus der Linie 1 bis zur Grenze).

Nur MO-FR besteht die Möglichkeit zwei (wertvolle) Stunden früher hier anzukommen – sofern mensch es vorher auch bis Freilassing schafft, denn mit Abfahrt um 17:25 Uhr der RVO-Linie 9506 in ,,Laubau / Holzknechtmuseum" ginge nun in genau acht Stunden die grundsätzlich letzte Öffi-Verbindung nach Ruhpolding zum Bahnhof. Doch ein Verpassen dieses Busses dürfte kein Problem darstellen, denn das Trampen sollte dort an der B305 gut funktionieren – und die Züge fahren stündlich bis in den späten Abend (via TS) nach RO (und M).

IMG_2023-05-21_01.jpg

Auf der alten Passstraße durchquere ich den Ort, überquere den unscheinbaren Steinpass (615 m) und etwas tiefer (bei der Steinbachbrücke) beginnt der kleine Fahrweg (mit mittigem Grünstreifen) den Steinbachgraben hinein – ein erster Wegweiser verrät: Sonntagshorn über Roßkar = 4h. Ab hier – es ist 9:45 Uhr – geht's heute wieder barfuß und naturnah weiter, auch die leichten FiveFinger's bleiben mit den ,,Reserveschuhen" am Rucksack fixiert. Mit einer kleinen Brücke, die früher ganz natürlich aus drei Baumstämmen bestand und zwischenzeitlich durch ein langlebiges, feuerverzinktes Stahlkonstrukt ersetzt wurde, beginnt der Roßkarsteig (T3), der schattig im Wald mal steiler in Serpentinen, dann wieder flach den Steilhang querend, aber gut gepflegt nach oben zieht. Es dauert eine Weile – u.a. der Umstand gegen 17:15 Uhr ,,drüben" sein zu müssen(?) wird aus dem Kopf verbannt – bis ich meine innere Ruhe und das angepasste Aufstiegstempo finde. Etwa ,,auf halbem Wege" (ca. 1050 m / 11:15 Uhr) gibt es ein Wegbüchl, eine willkommene Möglichkeit zu einer kurzen Rast. (Wieder?)Aufgelegt im Juni 2020 verrät es, dass die Wegerhaltung durch die DAV Sekt. Bad Reichenhall und die Wegbetreuung durch Markus P. aus Unken erfolgt. Dieser hat darin nur drei Tage vorher ,,Weg ausputzen" vermerkt  #danke1#  – und am Vortag sind hier drei männl. Vornamen als Gruppe vorbeigekommen. Für dieses Jahr mache ich nun den dritten Eintrag...

IMG_2023-05-21_02.jpg

Danach geht der Steig ,,un-ausgeputzt" weiter, aber mit etwas mehr Umsicht auch kein Problem. Im Übrigen ist dieser Steig gut zum barfuß ,,Wandern" geeignet – unten hat es überwiegend erdigen Waldboden mit wenig Steinen und oben hinaus wird er zunehmend grasig. Mit dem Erreichen des Weidezauns, bzw. wenn der Steig den Rosskarbach kreuzt, befindet sich eine Quelle mit Brunnen, die aufgrund ihrer Fließkraft wohl das ganze Jahr über sprudeln sollte. Der Baumbestand wird nun lichter und auf der Almfläche angekommen, verlasse ich die markierte Linie und steuere für eine kurze Rast die kleine Almhütte (,,Roßkarhütte") an (ca. 1510 m / 13:15 Uhr durch einige Fotostopps). Diese ist noch nicht bewirtschaftet – neben abschmelzenden Altschneeflecken blühen noch Krokusse und Alpenglöckchen (Soldanellen) – und bietet bereits einen schönen Ausblick auf die noch tief verschneiten Nordflanken der Loferer Stoaberg und weiter östlich auf die hohen Bercht'sgod'ner Alpen.

IMG_2023-05-21_03.jpg

IMG_2023-05-21_04.jpg

Zum Rosskarsattel hinüber queren, um ganz klassisch den südseitigen Aufstieg auf den Hauptgipfel, das Sonntagshorn, zu machen möchte ich nicht. Um weiterhin naturnah unterwegs sein zu können, wähle ich die Gegenrichtung nach Osten, komme dabei an der Viehtränke der Alm vorbei und halte, etwa auf der Höhenlinie bleibend, weiter auf den A/D-Grenzverlauf zu, der über einen Kamm, den sog. Gernrücken, verläuft. Dort auf ca. 1525 m soll nach dem älteren Kartenstand der Austrian-Map (ÖK) ein (Alm?)Steig durch die Ostflanke beginnen und eine Idee überprüfend, in der Vorbereitungsphase das Luftbild/Orthofoto näher betrachtend, wurde dort auch eine kleine Latschengasse erkannt, die dem Grenzverlauf folgend zum Gratgipfelchen Hochgern (1740 m) hinauf führt – von der anderen Seite soll sich nach A-Map und OSM ein schlecht sichtbarer und anspruchsvoller ,,Pfad" diesem Gipfelpunkt nähern. Als Referenzpunkt habe ich einen kleinen hellen Fleck ausgemacht (Geröll, Steinplatte?), den ich nun versuche – nur mit Ausdruck und ohne Navi ausgestattet – anzusteuern. Beim ersten Versuch gerate ich etwas zu hoch und einem Gams-Schlurf folgend stecke ich bald in völligem Latschen-Dickicht. Also zurück und tiefer ansetzen. Unter einem alten Baumbestand (vor allem dort bleibt er konserviert) meine ich so etwas wie ein Steig-Fragment zu erkennen, danach bleibt die Vegetation luftiger und ohne den ,,hellen Fleck" zu treffen erreiche ich dennoch den Grat.

IMG_2023-05-21_05.jpg

geroldh

IMG_2023-05-21_06.jpg

Wie vermutet ist dort eine kleine Gasse durch die Latschen, tw. mit alten Schnittspuren ,,markiert", der ich – wegen des splittrigen Felsen nun mit den leichten FiveFinger's an den Sohlen – nach oben folge. Der eigentliche Zweck dürfte das Nachmalen der Grenzmarkierung mit frischer Farbe sein, denn mit dem Abknicken des Grenzverlaufs am Gipfelpunkt ,,Hochgern" (15:45 Uhr) hinab in die ,,Schneegrube" (warum dieser Umweg?) endet die gut begehbare Latschengasse, die manchmal leicht in die Ostflanke ausweicht. Üblicherweise sind Latschenäste ,,fast" so stabil wie ein Seil, doch einmal zu wenig Achtsamkeit auf das Nach-oben-greifen gelegt, beim Hinaufziehen reißt der vertrocknete Ast und ein Latschen-Vollbad rückwärts ist die unmittelbare Folge, inkl. einigen Kratzern ,,im Lack". Trotz wenigen alten Schnittspuren kämpfe ich mich jetzt durch dichtere Latschen zu einem unbenannten kleinen Gratgipfelchen (ca. 1800 m / 16:15 Uhr) hinauf, über den der markierte Steig von Osten herauf verläuft.

IMG_2023-05-21_07.jpg

Grundsätzlich wäre diese Route eine schöne Möglichkeit, um einen einsamen Aufstieg (via dem Roßkar) weiter einsam fortzusetzen – doch bräuchte es hier, getrieben von lokalem Interesse, eine (Putz)Aktion mit Säge, wenigstens um dem sichtbaren Kartenstand gerecht zu werden.

Diese (erfolgreiche) Erkundung hat einiges an Zeit benötigt und so wie es vom jetzigen Standpunkt aussieht, sind im steilen Steig über den (Nord)Ost-Grat zum Hauptgipfel noch Schneefelder eingelagert. Auch weil mit den finalen knapp 200 Höhenmetern hin und retour mind. eine Stunde benötigt wird, verwerfe ich den Abstecher Sonntagshorn-Gipfel (1961 m) vollends und begnüge mich mit dem aktuellen Punkt als Gipfelrastplatz mit hopfiger Erfrischung. Abgesehen vom verstellten Blick nach Westen ist die Aussicht von hier gleichbedeutend, es ist bereits kurz nach 17 Uhr als ich wieder aufbreche und den Blick den weiten Weg hinaus an der sichtbaren Schwarzachenalm vorbei bis zum Holzknechtmuseum wandern lasse...

IMG_2023-05-21_08.jpg

IMG_2023-05-21_09.jpg

IMG_2023-05-21_10.jpg

geroldh

IMG_2023-05-21_11.jpg

Etwas absteigend wird die Sonntagshornscharte (1781 m) erreicht (genau jetzt soll draußen der letzte Bus an die Haltestelle fahren...), hier verspricht mir der Wegweiser mein Tagesziel Laubau in knapp 4h zu erreichen – da es sich nun um einen zwar alpinen, aber markierten Steig handelt (oben und einige Abschnitte T4, sonst überwiegend T3), ist dies für mich nun realistisch. Im nordseitig ausgerichteten Kar liegt noch ein langes Schneefeld hinab, zum Abfahren ist es zu steil (auch mit den ,,Reserveschuhen"), daher teste ich oben die Konsistenz an und treffe die Entscheidung, dass ich mit den Barfussschuhen und deutlichem Ferseneinsatz in einer alten Aufstiegsspur den flotteren Abstieg wagen kann. Die Technik ist mir bekannt und auch das unmittelbare Abbremsen ,,in Liegestütz-Haltung" (hierfür ist Schneekonsistenz und Steilheit noch in Ordnung) bei einem möglichen Wegrutschen habe ich mir im Hinterkopf bereitgelegt.

IMG_2023-05-21_12.jpg

Über größere Steine und feinerem Geröll – ich bin erstaunt, dass es doch geht – wird der Steig erreicht, der mich durch Latschen und kleine Bachläufe überquerend zur Hinteren Kraxenbachalm Diensthütte (ca. 1240 m / 18:15 Uhr) hinabführt. Ein Brunnen füllt die Trinkflasche wieder etwas auf, dann folge ich dem Steig in all seinen Winkel und Kehren, oben immer wieder am felsigen Untergrund abgerutscht, weiter unten durch altes trockenes Buchenlaub rutschig, immer weiter hinunter. Dieser Steig ist bis zum Ende anspruchsvoll und ,,zum Gasgeben" (um einen Bus zu erreichen...) auch mit Bergstiefeln völlig ungeeignet. Inzwischen scheint die untergehende Sonne in das Hintere Kraxenbachtal hinein und bringt das frische Buchenlaub schön zum Leuchten – es macht einfach Spaß jetzt hier so unterwegs zu sein. ;)

IMG_2023-05-21_13.jpg

IMG_2023-05-21_14.jpg

An der Schwarzachenalm (760 m / 19:45 Uhr) angelangt, strömt bereits der kühle Bergwind das Tal hinaus, ich bin die ganze Tour über niemanden begegnet, aber jetzt wieder ,,in der Zivilisation" angelangt und steige nun auch in die ,,Reserveschuhe", um den nun folgenden langen Talhatscher auf der Fortstraße hinaus nach Laubau (700 m / 20:15 Uhr) angenehmer zu machen.

IMG_2023-05-21_15.jpg

Auf dem großen Parkplatz Holzknechtmuseum (derz. 7,- Euro/Tag) steht nur noch ein ,,Van", bereits vorne an der Straße angelkommen höre ich es hinten ,,einbremsen" und wenig später nehmen mich diese zwei Bergradler aus Traunstein mit hinaus zum Bahnhof in Ruhpolding. Nach wenigen Minuten Warten am Bahnsteig sitze ich mit Abfahrt um 20:48 Uhr im (Bummel)Zug hinaus nach Traunstein. Während es in Richtung Salzburg unmittelbaren Anschluss hätte, lässt mir eine planmäßige Umsteigezeit nach RO/M von 33 Min. ausreichend Zeit für einen beginnenden Ausgleich der verbrauchten Kalorien in Form eines Burgers mit Pommes. Am Bahnsteig wartend, gibt es dann – wie ,,gewohnt" – die Information, dass sich der Zug (,,Dank" der dt. Grenzkontrolle in Freilassing) um 10 Minuten verspätet – es wird dann noch informell auf 15 Minuten erhöht, doch was soll's, ich finde meinen Sitzplatz –

und ja, es war a sauguade Tour. ;)