Eine kulinarische Reise zu den Almen Österreichs
Was uns auf den Almen schmeckt!
Kross gebratene Zwiebeln auf goldgelben, von Butter glänzenden Spatzeln. Der Käse zieht Fäden, die Gabel kennt ihren Weg. Zunge und Gaumen glucksen vor Freude. So könnte es sein, das Essen auf der Alm. Was dort auf den Teller kommt, ist nichts für Kalorien- und Erbsenzähler. Die würzige Bergluft, der Geruch der Kräuter und der Klang der Kuhglocken schüren die Lust auf Speisen ohne Schnörkel, auf Stosuppe, Kaskrapfen oder einen Schmarren mit Preiselbeeren. Susanne Schaber und Herbert Raffalt begeben sich auf eine kulinarische Wanderung: Die beiden wissen, warum es uns auf der Alm so gut schmeckt und verraten über 60 Originalrezepte, die ein Stück vom Alltag oberhalb der Waldgrenze in unsere Küchen holen.
Die Autoren:
Susanne Schaber, 1961 in Innsbruck geboren, lebt seit Abschluss ihres Studiums als Reiseschriftstellerin und Literaturkritikerin in Wien. Zahlreiche Bücher, zuletzt über Island, die Pyrenäen, die Provence und die Wiener Kaffeehäuser. Im Tyrolia-Verlag hat sie den Band „Tirol – Land in den Bergen“ mitgestaltet und gemeinsam mit Herbert Raffalt „Almen in Österreich“.
Herbert Raffalt, 1964 in Schladming geboren, ist geprüfter Bergführer sowie Fotograf. Die Bilder des mehrfach ausgezeichneten Künstlers sind in zahlreichen Büchern u.a. im Band "Austria Alpin - die großen Gipfel in Österreich", Tyrolia Verlag, zu sehen. Seit vielen Jahren ist er Leiter der Alpinschule in Schladming und Ausbildungsreferent der Steirischen Bergwanderführer.
Lieben oder lassen
Ennstaler Roggenkrapfen mit Steirerkas
Steirische Stosuppe
Riebel
Farferlsuppe
Tiroler Muas
Brennsuppe
Oischneidnidei
Tiroler Speckknödel
Schottsuppe
Melchermuas
Schwammerlsuppe
Gebackene Steinpilze mit Kräutersauce
Reiben bürsten drehen
Graukas-Suppe
Kärntner Glundnerkas
Montafoner Käsesuppe
Käsknöpfle
Kaspressknödel
Frigga
Graukas sauer angemacht
Ziegernöcklen
Gailtaler Almkäsflecken
Almererknödel
Der Tautropfen im Silbermantel
Brunnenkressesuppe
Wildkräutersalat
Röhrlsalat
Kräuteressig
Kartoffeln mit Frühlingskräuterbutter
Belegtes Brot gegen Grippe
Fichtenspitzenhonig
Arnikatinktur
Bärlauchpesto
Orzotto Gulasch und Polenta
Orzotto con verdure
Frico con patate
Minestra di fagioli e orzo
Zuppa di pane e cavolo
Pizzoccheri
Steinpilzknödel
Zlikrofi
Bündner Gerstensuppe
Truffade
Migas de pastor
Älplermagronen
Wurzeln mit Charakter
Schwarzbeerbuttermilch
Hollersprudel
Waldmeistersirup
Preiselbeersaft
Zitronenmelissensirup
Johanniskrautlikör
Nussschnaps für den Magen
Schwarzbeerlikör
Zirbengeist
Almkaffee
Wohltuender Kräutertee
Wenn der Bartl ins Schaff fällt
Steirische Alm-Sailinge
Topfenkisserln
Topfen-Grieß-Knödel
Schnuraus
Rumplnudeln
Süße Topfennocken
Kaiserschmarren
Moosbeernocken
Rahmkoch
Tiroler Kirchtagskrapfen
Vorwort
Kross gebratene Zwiebeln auf goldgelben, von Butter glänzenden Spatzeln. Der Käse zieht Fäden. Die Gabel kennt ihren Weg. Zunge und Gaumen glucksen vor Freude.
So könnte es sein, das Essen auf der Alm. Oder auch so: Heidelbeeren, noch warm von der Sonne, landen mit Mehl, Eiern, einer Prise Salz und etwas Zucker in einer Rührschüssel und dann Löffel für Löffel in heißem Fett. Eine kleine Explosion: die Beeren platzen auf, das Aroma eines Bergsommers setzt sich frei. Dazu ein Glas Milch, Buttermilch oder Molke. Wer mag, rührt noch etwas Holundersirup hinein. Oder doch ein Bier? Die Müdigkeit macht träge, allein die Augen finden keine Ruhe. Sie ziehen über die Weiden zu den Rindern, die auf den Wiesen grasen, und weiter in die Regionen von Fels, Stein und Eis. Dohlen kreisen über der Hütte, das Wasser plätschert im Brunnen. So könnte das Glück aussehen.
Was auf den Almen auf den Teller kommt, ist nichts für Kalorien- und Erbsenzähler. Es sind Gerichte, die den Heißhunger nach einem harten Arbeitstag oder einer ausgiebigen Wanderung schmackhaft bändigen. Wer Häuser und Straßen hinter sich gelassen hat und durch dichte Wälder bergwärts steigt, passiert einen unsichtbaren Schlagbalken. Über der Baumgrenze verwandelt sich der Blick. Der Alltag bleibt unten im Tal, die Grate, Zacken und Zinnen relativieren, was festgefahren scheint. Das Muhen der Kühe, Robert Musil weiß es, wirft uns zurück in die Kindheit. Die Unbefangenheit ist wieder da, und mit ihr das Gefühl der Zwanglosigkeit und Freiheit.
Die Sinne sind geschärft: Die kühle Luft, die intensiven Farben der Blüten, der Geruch der Kräuter, der Klang der Kuhglocken, das Rauschen des Bachs und das Poltern der Steine, die Ziegen und Schafe losgetreten haben, schüren die Lust auf Speisen ohne Schnörkel. Stosuppe, Kaskrapfen und Schwammerlgulasch, Melchermuas, ein Schmarren mit Holunderkompott oder Preiselbeeren, Topfenknödel oder ein Rahmkoch. Keine Haute Cuisine und eben darum ein selten gewordener Hochgenuss.
Spargel aus Peru, Babyananas von den Philippinen, Lamm aus Neuseeland. Nichts scheint unmöglich. Inzwischen kehren Gaumen und Vernunft aus fernsten Fernen immer öfter ins Regionale heim: Provinz ist längst anderswo. Wir wissen inzwischen, was es bedeutet, sich gesund zu ernähren. Zurück zum Ursprung, wie es einer der Slogans unserer Tage formuliert, mit sorgfältig behandelten Lebensmitteln aus dem eigenen Garten, vom nahegelegenen Bauernhof oder dem Markt. Jedenfalls aber Naturalien, die keine Flug- oder Schiffsreisen hinter sich haben und in jenen Breiten gewachsen und verarbeitet worden sind, in denen sie schließlich auch in Pfannen und Töpfen braten, schmoren und schmurgeln.
Die Speisezettel auf den Almen beschränken sich aufs Wesentliche: Milchprodukte wie Käse, Butter, Joghurt und Molke, Kartoffeln und Gemüse, das je nach Höhenlage hinter der Hütte gedeiht, Pilze und Beeren, in den umliegenden Wäldern und Lichtungen gesammelt. Dazu Quellwasser, Milch, Säfte und Tees aus Kräutern. Wenig Fleisch, und dafür einiges an Speck. Schlichte Mahlzeiten, mit wenigen Zutaten. Aber natürlich: ziemlich gehaltvoll, nicht unbedingt magenschonend, keine Figurschmeichler. Doch die körperliche Ertüchtigung auf den Weiden, im Stall, beim Wandern oder Mountainbiken verzeiht Sünden – so es welche sind.
Denn darüber lässt es sich streiten. Für die Rinder, Schafe und Ziegen wirkt die Sommerfrische wie eine Kur: Die höhere UV-Strahlung stärkt die Knochen, die dünnere Luft regt die Atmung an, Lunge und Herz werden kräftiger, die Anzahl der roten Blutkörperchen steigt. Das Herumklettern festigt Muskeln, Sehnen und Gelenke, Wind und Wetter stärken das Immunsystem, würzige Gräser und Kräuter auf den Weiden sorgen für ein feinfaseriges, gut marmoriertes Bio-Fleisch. Die solcherart gewonnene Milch ist reich an Vitaminen, Mineralstoffen, Eiweiß und Kalzium und enthält wertvolle Omega-3-Fettsäuren. Entsprechend wirkt sie beim Menschen positiv auf Abwehrkräfte, Blutdruck oder Gefäße, ist gut bei Asthma und Entzündungen und gilt als anti-karzinogen. Und was nicht weniger wichtig ist fürs Wohlbefinden: Die einfache Alm-Kost schmeckt.
Die meisten Hütten sind heute mit dem Traktor oder Auto zu erreichen, zumindest für die Betreiber. Es gibt Stromaggregate, Kühlschränke und Kochplatten samt Backrohren. Und oft auch falsche Vorstellungen in Sachen Gaumen. Mozzarella mit Tomate, Weißwürste oder Zigeunerspieß: Muss das sein? Die Gäste sind häufig enttäuscht. Die Menütafeln auf den Almen werden laufend umfangreicher – und das Bedauern wächst, dass die kulinarischen Traditionen langsam in Vergessenheit geraten. Sie gilt es zu bewahren und in den Alltag zurückzuholen.
Gerichte mit selbstgepflückten Beeren, Pilzen und Kräutern, mit Graukas, Speck und Butterschmalz erinnern zuhause an selige Zeiten über der Waldgrenze und schüren die Vorfreude auf die nächste Expedition in Regionen, wo ganz eigene Abenteuer warten. Rucksack und Bergschuhe stehen bereit. Die Rezepte weisen den Weg.