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Almen in Österreich


Von Menschen und Tieren, vom Gestern und Heute

Autor / Autoren:


»Susanne Schaber und Herbert Raffalt«

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Beschreibung:


Almen sind Sehnsuchtsorte, die uns vor allem jeden Sommer immer wieder aufs Neue anziehen und auf die unterschiedlichsten Arten berühren. Vielerlei Kulturgut trifft hier zusammen und nicht immer ist das Almleben nur idyllisch. Die zahlreichen Facetten der Alm haben die Reiseschriftstellerin Susanne Schaber und der Bergfotograf Herbert Raffalt einfühlsam festgehalten in einem Bildband, der nun in dritter, erweiterter Auflage wohl schon langsam zu einem Standard-Portrait der Alm in Österreich wird ...

Dazu gibt es mehr als 100 speziellen Almentipps zum Selbererleben und neu ergänzt einen Beitrag zum "Wutbauern" Christian Bachler, der durch sein Buch und seinen Kampf für mehr Tierwohl und gerechtere Abnahmepreise in der Land- und Almwirtschaft weit über die Grenzen seines Heimatorts hinaus bekannt wurde.

Hundert spezielle Alm-Tipps am Ende des Buches können zwar nur einen kleinen Ausschnitt aus der reichen Vielfalt der Almkultur abbilden, sollen aber noch einmal richtig Lust darauf machen, das Almleben selbst zu erkunden und bieten viele Möglichkeiten, die schönsten Almen Österreichs auf eigene Faust zu entdecken.



Inhaltsverzeichnis:


Über die Weise zum Stein - Zu Besuch beim Dichter und Hirten Bodo Hell
Hooo-hoi, leck leck - Mit den Schafen übers Joch: Sommerfrische im Ötztal
Wenn der Hochkönig grollt - von übergossenen Wiesen und und wilden Frauen: Almsagen
Geh den langen Weg, nicht den Kurzen: Zwischen damals und heute, das nachhaltige Wirtschaften auf der Alm
Im Kleinsten steckt das Größte - Susanne Türtscher und die Geheimnisse der Kräuter
Tisch, Pfanne und Löffel - Kulinarische Grenzgänge am Krimmler Tauern
Rettet die Alm - trinkt mehr Gin! - Bergbauer Christian Bachler und seine nachamenswerten Ideen "Boooodn!" - Das Kärntner Karlbad, oder: Die Touristen kommen
Hundert Almtipps, oder: Die Qual der Wahl



Aus dem Inhalt:



Jagdhausalm - Steinernes Dorf auf über 2000 Meter Seehöhe<br />
Das tibetische Dorf, so nennt man die Jagdhausalm im Nationalpark Hohe Tauern. Die fünfzehn Steinhäuser am Ende des Osttiroler Defereggentales gehören zu den ältesten Almen Österreichs und gelten zusammen mit der Kapelle als kunsthistorische Besonderheit. Sie werden immer noch von Südtiroler Bauern bewirtschaftet.<br />

Jagdhausalm - Steinernes Dorf auf über 2000 Meter Seehöhe
Das tibetische Dorf, so nennt man die Jagdhausalm im Nationalpark Hohe Tauern. Die fünfzehn Steinhäuser am Ende des Osttiroler Defereggentales gehören zu den ältesten Almen Österreichs und gelten zusammen mit der Kapelle als kunsthistorische Besonderheit. Sie werden immer noch von Südtiroler Bauern bewirtschaftet.


Gailtaler Almkäsen von der Watschinger Alm<br />

Gailtaler Almkäsen von der Watschinger Alm


Wer im Juni oder Juli zur Watschinger Alm (1638 m) kommt, den erwartet die Blüte eine der seltensten Pflanzen des Alpenraumes, der Wulfenia. Nur hier kann man diese außergewöhnliche, kleine blaue Blume verwundern.<br /><br />

Wer im Juni oder Juli zur Watschinger Alm (1638 m) kommt, den erwartet die Blüte eine der seltensten Pflanzen des Alpenraumes, der Wulfenia. Nur hier kann man diese außergewöhnliche, kleine blaue Blume verwundern.

Über die Wiese zum Stein
Zu Besuch beim Dichter und Hirten Bodo Hell


Bückel, hüttel, knüttel. Rote Lettern auf einem verwitterten Holzschild. Ein Wegweiser mit geheimer Botschaft? Könnte schon sein. Gerade erst hat man den Starnsattel hinter sich gelassen, einen knapp zweitausend Meter hohen Übergang auf dem Weg zum Dachsteinplateau. Die Augen ziehen über eine Senke, viel Wald, dazwischen prall grüne Wiesen und zwei dunkle Seen, wie Findlinge in der Einsamkeit gestrandet. Kein Mensch zu sehen, nur ein paar Kühe, die sich auf der Suche nach Gräsern und Kräutern in den Fels vorwagen. Der Steig mit der Nummer 666 läuft abwärts. Und plötzlich diese seltsame Tafel, und direkt daneben ein Haufen wild aufeinander geworfene Äste. Ein Stück weiter unten eine kleine Hütte. Vor der Tür, unter dem Vordach, türmt sich ein Holzstapel.
Auf der Grafenbergalm, in der Abgeschiedenheit zwischen Dachstein und Stoderzinken, verbringt der Schriftsteller Bodo Hell seit bald vierzig Jahren seine Sommer. Gut zehn Wochen lang, je nach Witterung mehr oder weniger, arbeitet er dort als Hirte, ehe er im September nach Wien zurückkehrt. Bückel, hüttel, knüttel, das ist des Dichters Bitte an die Wanderer, ihm einige der Äste zur Hütte zu tragen. Er hat gerade erst „geschwendet“, wie die Almbauern sagen: Wer die Wiesen nicht regelmäßig von Bäumen und Büschen freischlägt, der riskiert, dass die Weidefl¬ächen schrumpfen und zum Dickicht werden. Und das will keiner.
Bei Bodo Hell brennt Feuer im Herd. Es ist kalt, Regen peitscht aufs Dach. Zum Glück – wäre das Wetter anders, hätten wir ihn wohl nicht in seiner Almhütte angetroffen, dann ist er fast immer bei seinem Vieh. Jetzt aber steht der Tee am Tisch, dazu Ziegenkäse und ein paar Scheiben schon recht trockenes Schwarzbrot. Eine Handvoll Scheite landet im Ofen. Bodo Hells Augen blitzen. Der Schalk sitzt ihm im Nacken, die Lust am Formulieren, an der Verästelungen der Sätze und dem Hintersinn der Wörter. Was treibt einen wie ihn, der sich so behände durch die Landstriche der Literatur bewegt, in die Einsamkeit einer Hochalm und in den harten Alltag des Hirten? Einen Autor, der viel reist und seine Texte vorträgt wie kein zweiter, der sich regelmäßig mit Malern und Musikern zusammentut und so unverwechselbare Kunstwerke geschaff¬en hat?
Bodo Hell holt etwas aus. Schon mit seinen Eltern war er regelmäßig in den Bergen: Wenn man in Salzburg wohnt, liegt das nahe. In den 1970er-Jahren, da lebt er schon in Wien, zieht es ihn zu den Kindheitserinnerungen zurück. Anfangs verbringt er die Sommermonate auf einer unbewirtschafteten Alm im Königreich, einem Landstrich im nordöstlichen Dachsteingebiet. Von dort aus schaut er hinüber Richtung Kufstein und Miesberg. Auf einem seiner Streifzüge entdeckt er die Grafenbergalm. Sie hat’s ihm angetan: ein paar Holzhäuschen, saftige Weiden rundum, zwei Seen. Einer der schönsten Flecken dieser Gegend, dazu noch einer der fruchtbarsten. An einem Ort wie diesem könnte man’s gut und gerne aushalten. Doch Bodo Hell steht mit beiden Beinen am Boden und denkt über derlei Tagträume nicht länger nach. Und dann biegt der Zufall um die Ecke. Einige Zeit später hört er, dass man auf der Grafenbergalm einen Hirten sucht. Dem alten Senn musste ein Bein abgenommen werden, und es gab wechselnde Nachfolger. Nun will man es dauerhafter mit einem neuen Halter probieren. Einer der Ramsauer Bauern, denen die Alm gehört, kennt Bodo Hell und fragt ihn – und der sagt sofort zu.
Ende Juni 1978 steigt er zum ersten Mal zu seinem neuen Arbeitsplatz auf. Eine der drei Hütten wird fortan sein Zuhause. Der Schlüssel sucht das Schloss, die Türe springt auf: ein Raum, etwa zwölf Quadratmeter groß, der Tisch, die Eckbank, der mit Holz zu befeuernde Herd, die Abwasch. Wasser holt man sich aus einer Quelle, die einen zehnminütigen Fußmarsch entfernt liegt, Kanister stehen bereit. Es gibt Strom, das Aggregat wird mit Diesel betrieben. Am Fußboden eine versteckte Luke, darunter ein kühler Verschlag, der improvisierte Kühlschrank. Mitten im Raum führt eine Hühnerleiter unters Dach, hinauf zum Schlaflager. Mehr ist da nicht.
Direkt neben der Hütte duckt sich ein Stall, im 18. oder 19. Jahrhundert erbaut, wie Hell vermutet, die Decken sind niedrig, aber massiv. Gleich beim Eingang ist ein Drudenfuß ins Holz geschnitzt: auf dass die Dämonen und Geister draußen bleiben. Teile eines Zaunes lehnen an den Wänden. Man hat sie vor dem Winter in Sicherheit gebracht, hier oben kann sich der Schnee türmen. Bodo Hell holt seine Habseligkeiten aus dem Rucksack. Er baut den Zaun wieder auf und begrenzt damit ein Wiesenstück rund ums Haus: Nun ist es sein Königreich. Jetzt sollen die Untertanen kommen, die Kälber, Ochsen und Pferde der sechzehn Bauern, denen die Alm gehört. Tag für Tag eine neue Abordnung, die über den Starnsattel daher trottet und ihr Sommerquartier inspiziert. Bis schließlich alle da sind.
Das Tagwerk beginnt. Bodo Hell hat noch einiges zu lernen. Mit Rindern hat er wenig Erfahrung. „Die Bauern sagen ja so: Im ersten Jahr geht der Hüter mit dem Stecken, im zweiten zieht er ihn nach und im dritten hat er ihn nicht mehr dabei.“ Eine harte Schule. Bodo Hell macht sich vertraut mit dem Terrain. Das Gebiet ist riesig, 1300 Hektar groß. Es gilt, das Gelände zu erkunden. Sein Vorgänger, der Brandl Karl, hat ihm die Wege und Plätze gezeigt, die das Vieh einschlägt, um zu Wasser und saftigen Weiden zu gelangen. Bodo Hell hat alles fotogra¬fiert, um sich besser orientieren zu können. Doch das bringt nicht viel: Er staunt, wie schwer es ist, sich zurechtzufinden. Als erstes muss er die Rinder kennenlernen. Zu jener Zeit sind ihre Ohren noch nicht mit Nummern versehen. Also versucht er, sich ihre Physiognomien einzuprägen, um sie auseinanderzuhalten, und macht sich dazu Notizen. Umgekehrt identifi¬zieren ihn die Tiere an der Stimme.
„Wenn ich den Regenmantel anhabe, da schauen sie ganz komisch, aber wenn sie mich hören, sind sie sofort da.“ Zwischen achtzig und hundertzehn Rinder sind hier Jahr für Jahr auf Sommerfrische, dazu ein paar Pferde. Hauptaufgabe des Hirten ist es, sie mit Salz und Kleie zu versorgen und aufzupassen, dass sie sich nicht im Unwegsamen verlieren: Ein Stück westlich von der Grafenbergalm erstreckt sich eine karstige Hochfläche.
Am Stein heißt sie und macht fürchten. Wer sich dort verirrt, droht sich in diesem labyrinthischen Gelände zu verlieren. Besser, man behält die Rinder und Pferde im Blick. „[…] man lässt sie ziehen, man zählt die 9, die 12, die 13 ab“, liest man in 666, einer von Bodo Hells Erzählungen, „man ruft, streut Salz und streichelt, spricht freundlich auf die Kalben ein, die Herde führt, im Abseits ihr geheimes Leben, die kennen Winkel, Ecken, Mulden, Wasserlöcher, molchbesetzt, von kaum jemandem sonst besucht, gesehen, betreten […]“. Zählen, immer wieder zählen: Ist die Herde vollzählig, ist jemand ausgerissen? Wenn die Kühe stierig sind, alle einundzwanzig Tage also, hauen sie gern ab. Da kann es dauern, ehe man sie wieder aufspürt. Bodo Hell lernt, in den Hufabdrücken und Kuhfl¬aden zu lesen und abgefressene Wiesen¬ecken oder niedergetretene Büsche richtig zu deuten. Die Wege werden oft lang. „Ich bin damals oft zu früh aufgestanden, bin schon um vier Uhr früh losgezogen, um das Vieh zu suchen und häufig an ihm vorbeigegangen:
Wenn die Rinder liegen, hört man keine Glocken.“ Das sollte man wissen. Etliche der Bauern beäugen den ungewöhnlichen Halter: Würde er sich hineinfinden in diese Herausforderungen? Es geht schließlich um ihr Vieh, und damit auch um ihre Existenzgrundlage. Da braucht es schon jemanden, dem man vertraut. Die meisten von ihnen geben sich abwartend-gelassen, allein einer zögert, die Verantwortung über seine Kälber in die Hand eines Städters zu legen. Doch er lässt sich belehren. Als im September alle Tiere zurück in ihren Ställen sind, weiß Bodo Hell, dass er es geschafft hat. Er soll bleiben, entscheiden die Bauern, und schicken ihren Hirten in den Winter und in die Ruhepause. Dort überlegt sich Bodo Hell, wie es weitergehen soll. Früher einmal, als noch Sennerinnen auf der Grafenbergalm waren, wurde Milchwirtschaft betrieben. Daran möchte er anknüpfen. „Ich will ja nicht auf einer Alm leben, wo eine Sage von der Butter- und Käseerzeugung berichtet, und ich mache nichts mit Milch“, meint er.
Es habe da ehedem, so erzählt man sich, drei Sennerinnen gegeben, die bei der nahgelegenen Quelle ein Männchen sitzen sahen. Sie fingen es ein und ließen es erst frei, als der komische Kauz ihnen erklärt hatte, wie man den Steirerkas herstellt. Kurz darauf saß er wieder an der Quelle: Jetzt zeigte er den Frauen, wie man aus der Milch, die man nicht mehr verarbeitet, den „Schotten“ herstellt, eine Art Topfen. Tags darauf hockte er neuerlich am Wasser, diesmal auf der anderen Seite: „Wenn Ihr mich nicht freigelassen hättet“, so grinst er, „dann hätte ich Euch noch verraten, was man mit der Molke alles machen kann.“ Diese Chance ist verpasst, die Molke muss bleiben, was sie ist: Futter für die Schweine. Eine Alm ohne Käse ist auch für Bodo Hell nichts Rechtes. Er denkt an Ziegen und hört sich um: Im Ennstal treibt er damals, Ende der 1970er-Jahre, gerade einmal eine einzige Geiß auf. Die holt er sich und macht vorher noch einen Kurs in der Landwirtschaftlichen Lehranstalt im Tiroler Rotholz. Nach drei Tagen kennt er die Abläufe der Produktion und wirft sich in die Praxis. Seither steht Ziegenkäse mit auf dem Speiseplan. In der Folge begleiten ihn vier bis fünf Ziegen auf die Alm, zusammen mit drei Hühnern. Für Eier und Milch ist gesorgt. Ins Tal, jedes Mal ein mehr als dreistündiger Fußmarsch, kommt er selten. Ab und zu steigen Freunde herauf und versorgen ihn mit Brot, Gemüse und Obst. Der Burgstaller-Hof unten in Rössing, einem Ortsteil der Ramsau, wird zu seiner Basisstation: Hier lagert seine Post, hier erfragt man, was Bodo Hell gerade braucht. Die meisten Wanderer wissen, dass sie bei ihm nicht verköstigt werden. In der Nähe der Grafenbergalm treffen sich sechs Steige. Doch wer in dieser Einsamkeit unterwegs ist, hat ohnehin seinen eigenen Proviant mit dabei. Für einen Ausschank oder eine Bewirtung hat Bodo Hell keine Zeit. Je nach Sonnenaufgang beginnt er schon vor sechs Uhr mit dem Melken der Ziegen. Nach dem Frühstück zieht er los, um nach den Tieren zu schauen. Das dauert Stunden. Erst gegen drei Uhr nachmittags kehrt er zurück. Ab und zu geht sich jetzt ein kurze Runde Schlaf aus, ehe die Holzarbeit dran ist. Auf fast 1800 Metern Höhe kann es nachts oder bei Schlechtwetter empfindlich kalt werden, da fällt die Temperatur auch im Sommer ganz selbstverständlich auf acht Grad und tiefer. Das muss man bedenken und gerüstet sein. Bückel, hüttel, knüttel. Das Schild spricht Bände. Dann ein Besuch bei den Pferden, die sich über eine Handvoll trockenes Brot freuen, ehe die Ziegen nochmals gemolken werden. Nach dem Essen wartet das Käsen, zumindest an jedem zweiten Abend. Vor zehn ist an Nachtruhe nicht zu denken, meist wird es später. So nicht das Wetter die Routine auf den Kopf stellt. Wenn es zuschneit, müssen Ziegen und Hühner schleunigst in den Stall. Für die Rinder ist es dort zu eng. Sie werden unruhig, wenn ihnen kalt ist. Also treibt man sie zu tiefergelegenen Weiden. Dort herrscht das alte Gesetz der Schneefl¬ucht, das den Hirten erlaubt, ihr Vieh auf fremdem Boden grasen zu lassen.



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Auf unbekanntem Steig
Bergtour. Schwierigkeit: (leicht)