15.-16.06. Lechtaler Alpen um die Stuttgarter Hütte
 

15.-16.06. Lechtaler Alpen um die Stuttgarter Hütte

Begonnen von MANAL, 18.06.2018, 23:18

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MANAL

Nachdem absehbar war, dass Freitag und Samstag vergangener Woche das Wetter hervorragend wird habe ich mir kurzfristig freigenommen und einen Bergspezl gefragt ob er Lust auf eine 2-Tagestour hat. Nachdem er sofort zugesagt hat ging es an das Überlegen wohin es gehen soll. Eine erste Recherche zeigt, dass die meisten Hochgebirgshütten erst eine Woche später öffnen.

Nach längeren Suchen im Internet und dem Studium von Karten haben wir uns für die Stuttgarter Hütte im westlichsten Zipfel der Lechtaler Alpen entschieden, die genau an diesem Freitag aufmacht. Da ich noch nie in dieser Gegend war habe ich mir ein paar Tourenberichte bei hikr.org durchgesehen und mittels Karte eine grobe Tourenplanung gemacht.

Freitagmorgen ging es zeitig los um die lange dreistündige Anfahrt über Garmisch, Fernpaß, Imst, Landeck, Arlberg- und Flexenpass nach Zürs (1717m) hinter uns zu bringen. Der Wintersportort Zürs fällt durch seine etwas abschreckende Klotzhotelarchitektur und völliger Geisterstimmung negativ auf. Scheinbar lebt im Sommer hier fast niemand. Wir parken am riesigen Parkplatz am Ortsbeginn. Ein Parkwächter oder Parkautomat lohnt sich wohl im Sommer ebenfalls nicht, daher kostenfrei. :)

Wegweiser zur Stuttgarter Hütte finden sich im Ort keine. Mit Hilfe der Karte finden wir den Weg rauf zur Trittalpe. Die erste halbe Stunde geht es auf der Asphaltstraße in Serpentinen hoch. Der Blick auf die toten Liftanlagen und Schneekanonen ist eher abschreckend und erste Zweifel werden wach ob die Tour wirklich die richtige Wahl war. Nach 2 Kilometern und ca. 250 Höhenmeter ist die (geschlossene) Trittalpe und der Anfang der Materialseilbahn zur Hütte erreicht. Der Weg wird zur Schotterstraße und senkt sich etwas in das weite und wunderschön einsame Pazieltal. Überall blüht es in allen Farben, idyllischer könnte ein Talkessel nicht sein. Am Ende des Tals zeigen sich die markanten dreieckige Roggspitze und der antennengekrönten Valluga. Weg genau hinschaut entdeckt auch bereits die Stuttgarter Hütte oben am Krabachjoch und den gesamten Aufstiegsweg.

Man verliert ca. 40 Höhenmeter bis man den Fahrweg zur unbewirtschafteten Pazuelhütte verlässt und auf einem Steg den Bach überschreitet. Dahinter zieht der schöne Steig südseitig den Hang hoch. Bis auf einem Getränkelieferant für die Hütte haben wir bisher keine Menschenseele gesehen. Erst im weiteren Aufstieg begegnen wir drei Wegbauer die den Aufstiegsweg nach dem Winter herrichten. Langsam geht es hoch und die Aussicht zurück auf das Pazieltal wird immer schöner. Man glaubt gar nicht, dass man vor nicht allzulanger Zeit in einem hässlichen toten Skigebiet war.

Nach 1 3/4 Stunden, 650 Höhenmeter und ca. 5 Kilometer erreichen wir die 2310m hoch gelegene Stuttgarter Hütte. Auf der Hütte freut man sich sichtlich über die ersten Gäste der Saison und weist uns gleich ein schönes Zweibettzimmer zu. Während wir auf der schönen aussichtsreichen Terasse Mittagspause machen erfahren wir, dass auch die Hüttenwirtin hier neu ist, sie hat zuvor die Bad Kissinger Hütte in den Tannheimer Alpen bewirtschaftet.

Der Weg zur Hütte dürfte jeder Wanderer problemlos bewältigen, maximal T2.

Fotos:
- Mitten im wunderschönen Pazieltal. An der Scharte links oben zeigt sich bereits die Stuttgarter Hütte. Rechts die markante Roggspitze, noch weiter rechts die Valluga auf die eine Seilbahn geht.
- Blick zurück auf den Aufstiegsweg. In der Mitte lässt sich die Fahrstraße zur Pazuelhütte erkennen. Rechts zieht sich der Wanderweg hoch zur Hütte.
- Mittagspause auf der Terasse der Stuttgarter Hütte mit Blick auf die Fanggekarspitze.
- Stuttgarter Hütte am Krabachjoch. Die Scharte hinter der Hütte ist die Rauhekopfscharte die wir am nächsten Tag überqueren werden.
- Beeindruckender Sternenhimmel in einer klaren, mondlosen Nacht. Es lohnt sich mitten in der Nacht dafür aufzustehen und vor die Hütte zu gehen!

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Während der Mittagspause entscheiden wir uns am Nachmittag auf die Fanggekarspitze zu steigen die sich als graue Felsgestalt östlich der Hütte aufbaut.

Von der Hütte geht es die ersten Meter auf dem Boschweg zur Ulmer Hütte und der Valluga los, bevor unser Weg zum Erlijoch und der Leutkircher Hütte nach links abzweigt. Über sanftes Wiesengelände mit unzähligen Blumen geht es gemütlich hoch bis die ersten Schneefelder erreicht sind. Statt dem Normalweg zu folgen queren wir etwas niedriger und flacher die Nordostseite der Erlispitze um schließlich direkt und mit möglichst wenig Schneekontakt zum Erlijoch (2430m) aufzusteigen. Auf diesem Weg begegnet uns tatsächlich noch eine anderer Wandererin deren Spuren wir im Schnee auch folgen. Vom Erlijoch geht es schließlich in Serpentinen durch den Schutthang zum Wilden Kasten (2526m) rauf. Es ist teilweise steil, aber der Schutt relativ stabil. Ist der Wilde Kasten erreicht geht es ein Stück flach dahin zum Gipfelhang der Fanggekarspitze. Mit vielen weiteren Serpentinen geht es immer nahe des nordwestseitigen Abbruchs im Schutt einfach nach oben. Am ehesten erinnert mich der Weg und der Berg an die Ödkarspitzen im Karwendel.

Nach 1 Stunde, 2,2 Kilometer und 330 Höhenmeter ab der Stuttgarter Hütte stehen wir am Gipfelkreuz der 2640m hohen Fanggekarspitze. Inzwischen hat es zwar vom Westen her etwas zugezogen aber es bieten sich schöne Ausblicke in alle Richtungen.

Die Fanggekarspitze ist schneefrei eine unschwierige und lohnenswerte T2+ -Wanderung. Wer auf der Stuttgarter Hütte ist sollte sich den Berg nicht entgehen lassen zumal er auch der höchste mit Weg in Hüttennähe ist.

Fotos:
- Über Blumenwiesen geht es der Fanggekarspitze entgegen.
- Vom Wilden Kasten zeigt sich der Schlußanstieg zum Gipfel. Schaut schwieriger aus als es ist.
- Gipfel Fanggekarspitze (2640m).
- Blick von Gipfel nach Süden über das Almajurtal zur Valluga und der Roggspitze. Nordseitig liegt noch einiges an Schnee in den Hängen.

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Nach einer ruhigen Nacht und einem guten Frühstücksbüffet starten wir gegen halb neun. Ein Blick zur Rauhekopfscharte die wir überschreiten wollen zeigt, dass noch viel Schnee dort liegt und keine frischen Begehungsspuren zu finden sind. Wir entscheiden uns es mal zu probieren, sollten die Bedingungen zu schwierig sein kehren wir um.

Ostseitig queren wir leicht ansteigen die Grashänge des Trittwandkopfs und gelangen schließlich zu den Schneefeldern der Scharte. Aus der Nähe zeigt es sich, dass sich der Aufstieg zur Scharte bei sinnvoller Wegwahl gut bewältigen lässt. Zuerst eine Querung des Schneefelds im flacheren unteren Teil bis zu einem schneefreien Schrofenriegel der fast bis zur Scharte hochzieht. Auf diesem Schrofenriegel lässt es sich gut aufsteigen und die letzten ca. 5 Meter steigen wir direkt im Schnee hoch, der zum Glück durch die Sonne schon so angetaut ist dass sich gute Tritte schlagen lassen. Wir sind erstmal erleichtert als wir in der Rauhekopfscharte (2415m) stehen (50 Minuten und ca. 2km ab der Hütte).

Allerdings steht uns auf der anderen Seite der schwierigere Teil noch bevor, der Abstieg auf der etwas steileren und schattigeren Seite. Hier ist der Schnee teilweise noch recht hartgefroren. Wir suchen uns einen Weg mit möglichst wenig Schneekontakt und eher flacheren Querungen der Schneefelder. Etwas knifflig aber auch das bekommen wir mit entsprechender Vorsicht hin. Wer hier so früh am Tag wie wir unterwegs ist, für den empfehlen sich Grödel oder Steigeisen, damit sollte diese Passage bequem bewältigbar sein.

Während wir über die gemütlichen mit unzähligen Blumen übersääten Wiesenhänge der Wösterspitze entgegen gehen entdecken wir in den Hängen der Krabachspitze eine große Herde Steinböcke (ca. 20-30 lassen sich zählen) die es sich dort gut gehen lässt. Auch zeigen sich hier überall Murmeltiere.

Bis kurz vor der Südlichen Wösterspitze handelt es sich um eine leichte Wanderung, dann geht es allerdings ans Eingemachte. Steil zieht sich der schmale und etwas unangenehm erdige Weg über den schrofigen Südrücken zur Südlichen Wösterspitze (2537m) hoch. Hin- und wieder muss man auch hinlangen, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind in den leicht luftigen Passagen ein Muss. Nach ca. 100 Höhenmeter hat man niedrigste der drei Wösterspitzen erreicht, am Gipfel findet sich nur ein Steinmann.

Auf dem Weiterweg zur Mittleren Wösterspitze sind zwar nur wenige Höhenmeter zu bewältigen, dafür geht es zeitweise genau auf dem recht schmale Schrofengrat dahin. Technisch vermutlich maximal eine T3, allerdings teilweise recht luftig. Wäre hier nicht ein klar gekennzeichneter und markierter Weg wäre es eine klare T4. Rechts und links geht es steil abwärts und der Weg selber ist auch schmal. Erinnert mich an die luftigen Gratpassagen bei den Hackenköpfen im Kaiser. Hier ist Stolpern verboten und volle Konzentration gefragt.

Nach ca. 10 Minuten ist die Mittlere Wösterspitze (2557m) erreicht. Hier findet sich ein Vermessungspfosten.

Wir gehen gleich weiter und folgen dem wieder schmäler werdenden Grat bis man durch Schrofen links in eine flache Senke 20-30 Meter absteigt. Hier muss auch die eine oder andere leichte Ier-Stelle bewältigt werden. Über einen flachen Grashang, einem Schneefeld und Schrofen erreichen wir schließlich den kreuzgeschmückten Gipfel der Nördlichen Wösterspitze (2558m, ca. 10 Minuten ab der Mittleren Wösterspitze).

Wir lassen es uns hier gutgehen und genießen die Aussicht. Das Wetter ist hervorragend und es bieten sich schöne Fernblicke. Im Norden die Allgäuer Alpen vom Widderstein über den Ifen und Biberkopf bis zum Hohen Licht und den Krottenkopf. Im Osten die Lechtaler Alpen mit der markanten Holzgauer Wetterspitze und der Parseierspitze. Dahinter zeigt sich auch noch der Wetterstein. Im Süden geht der Blick ins Verwall mit dem schönen Hohen Riffler. Im Westen die mir völlig unbekannten Berge des Lechquellengebirges. Tief im Tal Lech und das Lechtal.

Ein Traumtag und völlige Einsamkeit in wilder Landschaft. Was will man mehr.  :)

Fotos:
- Blick von der Rauhekopfscharte nach Norden. Rechts der Mitte unser nächstes Gipfelziel, die Wösterspitze.
- Eine große Steinbockherde in den Hängen der Krabachspitze.
- Gemütlich geht es über die Wiesenhänge zum schrofigen Kopf der Südlichen Wösterspitze.
- Gratwanderung von der Südlichen zur Nördlichen Wösterspitze
- Gipfel der Nördlichen Wösterspitze. Links die Allgäuer Alpen, recht die Lechtaler Alpen.


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Nach einer ausgiebigen Gipfelpause geht es auf dem gleichen Weg über den Grat konzentriert und vorsichtig zurück zum Bockbachsattel. Ein wilder und anspruchsvoller Berg der schöne Ausblicke bietet. In den steilen nordseitigen Felswänden der Mittleren Wösterspitzen entdecken wir eine weitere Steinbockherde. Nirgendwo habe ich mehr Steinböcke an einem Tag gesehen. Als Krönung zieht ein Adler am Himmel seine Kreise.

Als wir am Bockbachsattel zurück sind sehen wir zum ersten Mal am Tag weitere Bergsteiger. Zwei folgen uns über den Rauhekopfsattel, zwei weitere kommen uns entgegen. Nachdem wir unsere Erfahrungen über den zu erwarteten Wegzustand austauschen geht es weiter.
Bereits von der Wösterspitze haben wir uns überlegt welchen Weg wir zum Monzabonjoch nehmen sollen. Der Normalweg quert mehrere steilere Schneefelder und Rinnen. Alternativ hätte man noch tiefer ins Ochsengümple absteigen und einen einfacheren Weg suchen können.
Da der Schnee aber mittlerweile wieder angetaut ist entschließen wir uns den Normalweg zu folgen. Zwei Rinne mit Schnee sind wir vorsichtig an den schmalsten Stellen etwas unterhalb des Weg gequert. Wir waren sehr dankbar die Spuren der uns entgegenkommenden Bergsteigen nutzen zu können. Auch hier kann ich momentan nur erfahrenen Bergsteigern eine Begehung raten! Steigeisen/Grödel und evtl. sogar ein Pickel sind nicht falsch.

Erleichtert erreichen wir das 2270m hohe Monzabonjoch. Alle Schwierigkeiten liegen damit hinter uns. Ursprüngliche Pläne die 2632m hohe Rüfispitze zu besteigen haben wir nach der Wösterspitze bleiben lassen, zuviel Gipfel müssen auch nicht sein. Wir rasten lieber am noch teilweise zugefrorenen Monzabonsee und steigen dann über den Fahrweg wieder ins hässliche Skigebiet von Zürs ab.

Fazit:
Insgesamt eine tolle 2-Tagesrundtour in einem mir bis dahin völlig unbekanntem Gebiet. Die Stuttgarter Hütte ist ein gemütlicher Stützpunkt in einer wilden und einsamen Region sobald man das hässliche Skigebiet hinter sich gelassen hat. Naturliebhaber kommen hier voll auf die Kosten. Überall blüht es in allen Farben und die Tierwelt der Alpen zeigt sich auch zahlreich. Für den Bergsteiger bieten sich zahlreiche Gipfel mit unterschiedlichen Schwierigkeiten.


Fotos:
- Blick von der Nördlichen Wösterspitze auf die Mittlere Wösterspitze. Über den Grat in Bildmitte geht es nach rechts wieder zur Südlichen Wösterspitze. Rechts der Mitte die Rüfispitze.
- Auf dem Weg vom Bockbachsattel zum Monzabonjoch. Der Normalweg quert die teils schneebedeckten Grashänge links, das Joch ist ganz links oben. Alternativ könnte man auch über das tiefere Ochsengümple einen leichteren Weg finden.
- Der zugefrorene Monzabonsee lädt zum Rasten (und manche auch zum Baden ;-) ) ein.
- Es geht runter ins hässliche Skigebiet von Zürs.
- Der Kreis schließt sich mit einem letzten Blick ins schöne Pazieltal. Wunderschöne Blumenpracht in wilder Landschaft, rechts wieder die markante Roggspitze. Etwas links der Mitte das Krabachjoch mit der Stuttgarter Hütte und dahinter die von uns am Vortag bestiegene Fanggekarspitze.