Und schließlich das Finale:
Der Abstieg vom Fünfmandling und der gleich anschließende Aufstieg zum Molterfeldgeier (2422 m) waren zusammen in genau 15 Minuten geschafft. Der von Wolken getrübte Blick über den weiteren Routenverlauf (schmaler Blockgrat) beunruhigte mich aber doch etwas. Das Problem war für mich nicht die technische Schwierigkeit sondern vielmehr die Routenfindung, angesichts der Tatsache, dass immer mehr Nebelfetzen über den Grat wehten und nur mehr kurzzeitige Durchblicke zuließen - gerade wenn das Gelände anspruchsvoller und unübersichtlicher wird! Und unangenehm frisch wurde es auch noch dazu

. Also schluss mit "Spaß statt Stress". Zum Glück blieb es wenigstens trocken... vorerst mal.
Der Weiterweg ab dem Molterfeldgeier zum Salzachgeier, mit kurzen Kraxeleinlagen am Blockgrat, war anfangs noch nett, da abwechslungsreich und etwas abenteuerlich. Links und Rechts des Grates geht es anfangs zwar recht tief und steil hinunter, doch bald weitet sich der Kamm wieder und die Flanken neigen sich etwas zurück. Eine Route durch das Blockgelände muss man sich schon selber suchen - dabei musste ich verschiedene Male größere Blöcke oder Abbrüche umgehen, was unbemerkt viel Zeit kostet. Die Felsen (Quarzphyllit bzw. -Schiefer) sind bei trockenen Verhältnissen oberflächlich zwar rauh, weisen an Bruchflächen jedoch kaum Unebenheiten auf und sind daher in der Senkrechte meistens zu glatt um abzuklettern.
Ab und zu wurde ich komplett von Wolken eingehüllt, dann wieder löste sich der Nebel etwas auf. In der Nebelsuppe, bei stark eingeschränkter Sicht, fühlte ich mich ehrlich gesagt ziemlich hilflos und orientierungslos, das gefiel mir überhaupt nicht. Da die Wolken sich überwiegend an der West- und Südseite des Westlichen Salzachgeiers stauten, hielt ich deswegen vorzugsweise links, d.h. ich blieb an der Oststeite und später an der Nordseite des Grates, damit ich doch die meiste Zeit voraussehen konnte. Somit bin ich wenige Meter nordseitig
unterhalb des (kreuzlosen) Gipfels des Westlichen Salzachgeiers gequert. Das Blockgelände wurde jedoch zunehmend schwieriger begehbar, in der Nordflanke zudem auch steiler, mit tückischen Spalten zwischen den z.T. wackligen Felsblöcken - alles andere als angenehm

.
Aber jetzt hab' ich das Schwierigste wohl geschafft...... denkste. Denn gerade auf halber Strecke zwischen Molterfeldgeier und Östlichem Salzachgeier, also im Bereich des Westlichen Salzachgeiers, fing es an zu regnen! Zuerst leicht, aber langsam doch stetig immer intensiver.
Das konnte ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen

. Regen ist an sich ja nicht so schlimm, aber dadurch wurden die vorhin so schön rauhen Felsen, ebenso wie Gras, auf einmal gefährlich rutschig.
Es war eine mentale Erprobung, um mit der Unsicherheit des immer schwierigeren und gefährlicheren Vorwärtskommens klarzukommen, mit dem Wissen, dass ich ganz auf mich alleine gestellt war; die letzten Besucher am nahen Gipfel des Östlichen Salzachgeiers waren schon vor einer Dreiviertelstunde abgestiegen.
Jetzt hatte ich die Wahl aus drei Optionen: entweder durch das unbekannte heikele Blockgelände weitergehen, oder den bekannten Weg über den gesamten Grat bis zur NBH wieder zurückgehen (nun bei nassen Verhältnissen!), oder gar unter einem Felsen (davon gäbe es hier genug) den Regen abwarten - allerdings auf die Gefahr hin dann wegen eintretender Dunkelheit notbiwakieren zu müssen. Ich hatte aber nur mehr einen Muesliriegel übrig und mein Trinken ging auch schon sehr zur Neige - letzteres wollte ich ja an der Salzachalm wieder auffüllen.
Letztendlich wählte ich die erste Option (weitergehen) und die ist gut ausgegangen. Doch kurz und ehrlich gesagt, war die letzte Dreiviertelstunde bis zum Östlichen Salzachgeier viel mehr Stress als Spaß

. Außerdem muss unbedingt noch eine letzte Hürde erwähnt werden. Denn die schwierigste Schlüsselstelle der ganzen Tour wartete erst in unmittelbarer Reichweite des Gipfels des Östlichen Salzachgeiers, und zwar in Form einer 3-4 m hohen nahezu senkrechten Felsstufe. Diese wäre entweder rechts (südwestseitig) sehr ausgesetzt über steile grasdurchsetzte Felsplatten zu umgehen (bei triefender Nässe, von wegen!), oder mehr links (nordseitig) durch einen kurzen aber ebenfalls ziemlich ausgesetzten und klatschnassen Felsspalt zu überklettern. Mir erschien der Spalt als die "handfestere" und damit sicherere Option, sie hat mir jedoch psychisch ziemlich den letzten Rest abverlangt. Wenn man das überwunden hat, steht man auch schon am Gipfel.

Am Gipfel angekommen um 14:45, buchstäblich am Höhepunkt (2466 m) meiner Zweitagestour, setzte ich mich im strömenden Regen zuerst mal ein paar Minuten lang auf einen Stein, um den "Moment zu genießen". Den diesjährigen Abschied vom tiroler Bergsommer hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt...
Aber ich tröstete mich damit, dass es ab jetzt viel einfacher auf markierten Wanderwegen und später sogar über Forstwege nur mehr bergab gehen würde. Alles war zwar rutschig und batzig; der Dreck spritzte mir bis über die Knie, aber was soll's

. Weniger als eine Stunde nach meinem Abmarsch vom Gipfel, erreichte ich um 15:45 die
Erste Brücke über die Salzach (ca. 1950 m), nahe dem Forstweg der vom Salzachjoch herunterführt.
Zu diesem Zeitpunkt wurde es auch langsam wieder heller, der Regen ließ nach, und um 16:00 war es wieder trocken und heiter. Ich informierte gleich meine Familie, dass ich wie vereinbart innerhalb von zwei Stunden die Alte Gerlosstraße östlich von Königsleiten erreichen würde. Über den Weg Nr. 718 an der Salzachjochhütte vorbei, erreichte ich 1 Std. 45 Min. später tatsächlich die Alte Gerlosstraße, etwa einen halben Kilometer westlich vom Ronachwirt. Unterwegs konnte ich auf der Salzachalm und dann nochmals bei der Mülleralmquelle meine Trinkwasservorräte auffüllen.
Ursprünglich wollte ich mit dem Linienbus sogar noch nach Mittersill fahren, um mich dort abholen zu lassen, damit meine Familie nicht so weit in den Pinzgau zu fahren brauchte. Es war jedoch sehr gut, dass ich mich an der Alten Gerlosstraße abholen ließ, denn es stellte sich heraus, dass auf dieser Straße gar kein Bus fährt! Wahrscheinlich fährt der nur auf der
neuen Gerlosstraße durch Krimml bis nach Königsleiten. Um Punkt 18:00 wurde ich abgeholt; bis nach Hopfgarten brauchten wir nochmals gut 1 Std. 45 Min.
So hat mein kleines Abenteuer in den Kitzbüheler Alpen ein glückliches Ende gefunden. Hauptsächlich wegen des unvorhergesehenen Regenwetters ist es viel anspruchsvoller geworden als erwartet und als gewollt. Ich glaube, bei guter Witterung wäre die Tour bis zum Ende hin ein Genuss gewesen, aber jetzt ist mir leider doch ein etwas bitterer "Nachgeschmack" davon übriggeblieben. Trotzdem freue ich mich, dass ich die Tour durchführen konnte und auch habe ich wieder viel daraus gelernt - vor allem, dass ein Berg zwei ganz unterschiedliche Gesichter hat, abhängig vom Wetter!
Allzeit wunderschöne Bergerlebnisse und gesunde Heimkehr wünscht euch,
Brixentaler