Der Brünnstein unter naturkundlichen Aspekten
 

   



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Der Brünnstein unter naturkundlichen Aspekten

Begonnen von moebius monkshood, 05.12.2006, 19:00

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moebius monkshood

Hallo liebe roBerge-Forumsgemeinde,

in dem Thema Brünnstein N-Flanke sind in letzter Zeit einige naturkundliche Aspekte geäußert worden, die in ihrer Intensität nicht das Ziel des Themas waren, als ich es vor etwa 2 Monaten einrichtete. Um den entstandenen Gesprächsbedarf zum Thema Brünnstein und Naturschutz dennoch zu befriedigen, habe ich mich entschlossen, unter der Rubrik Natur ein neues Thema abzuzweigen.

Der bisherigen Diskussion entnehme ich, daß  Bergsteiger sich in einem Spannungsfeld zwischen Naturerleben und Beeinträchtigung derselben bewegt. Daher gibt es einen Meinungspol, der die Haltung vertritt, man müsse Menschen komplett aus der Natur heraushalten, damit diese u.a. nicht die Tiere in ihrer täglichen Lebensweise stören. Der andere Pol vertritt hingegen die Auffassung, daß nur der Mensch, der mit Natur konkret in Berührung kommt, auch pfleglich mit ihr umzugehen vermag. Daher müsse der Mensch als Subjekt der Natur aufgefaßt werden und könne nicht so ohne weiteres aus ihr verbannt werden.

Im Bereich des Brünnsteins finden wir folgende Randaspekte vor: Eine SO-Seite, die mit zwei Bergsteigen bzw. Klettersteigen wandermäßig sehr gut erschlossen ist. Am sogenannten Gipfel 1619 m finden wir eine Kapelle und ein Gipfelkreuz mit Gipfelbuch. Der wahre Gipfel, 1634 m, ca. 300 m vom Gipfelkreuz entfernt ließe sich über eine alpine Wanderung erreichen; faktisch wird er sehr selten erstiegen. Im westlichen Bereich des fast 3 km langen Kammes von der Kapelle über die Rotwandlspitz bis hinüber zur Brünnsteinschanze befinden sich in dem bewaldeten und teils felsigen Gelände eine größere Gamsfamilie und einige Steinböcke. Zumindest die Steinböcke wurden von Menschen vor vielen Jahren neu angesiedelt, nachdem sie im vorigen Jahrhundert schon einmal ausgerottet waren. Sie scheinen sich nicht an den vielen Menschen zu stören. Die Gämse sind da schon empfindlicher. Am Brünnsteinkamm können vereinzelt Schneehasen beobachtet werden.

Seit einiger Zeit (diesem Jahr oder dem Vorjahr) gibt es durch die Brünnstein N-Flanke eine kleine Steiganlage von einem unbekannten Erbauer, die erfahrenen Bergwanderen einen Zugang durch die Brünnstein-N-Flanke vermitteln. Meine Vermutung, daß diese der Einstieg in eine Skiabfahrt durch die Brünnstein N-Flanke darstellt, wird somit genährt. Auf die  Skiabfahrt gehe ich noch unter dem Thema Skitouren ein. Nur soviel: Aufgrund der ungünstigen Exposition in sehr steiler Lage ist die Lawinengefahr in der Brünnstein N-Flanke beträchtlich. Daher wird dieses eine sehr späte Skitour sein. Wahrscheinlich werden bei einer möglichen Befahrung dieser Tour auf der S-Seite des Brünnsteins bereits die Osterglöckchen blühen. Deshalb glaube ich persönlich nicht daran, daß etwaige Skitouristen die Wildtiere von einer Nahrungsaufnahme abhalten. Die Tiere werden zwar genervt sein, würden aber bereits an den aperen Stellen auf der S-Seite des Brünnsteins Futter finden. Ich halte es auch nicht für sehr wahrscheinlich , daß die Wildtiere ausschließlich  auf der N-Seite des Brünnsteins ihr Rückzugsgebiet haben. Davon zeugen die vielen Gamswechsel zwischen dem Brünnstein und der Rotwandlspitz; teilweise bis zu vier Spuren hangparallel übereinander!

Die Steiganlage durch die Brünnstein N-Flanke kann mehrere Auswirkungen haben:

1) Sie lockt Personen an, für die der Brünnstein mit seiner Pseudo-Überschreitung -- Normalweg und Klettersteig -- bislang zu unattraktiv war; durch den Abstieg zu den Groß-Almen bietet sich eine richtige Überschreitung an. Mehr Menschen besteigen den Brünnstein.

2) Personen, die bereits auf dem Gipfel sind, versuchen den Weg, der nach wie vor nirgends bezeichnet ist, aufzufinden.
Wenn sie das Drahtseil sehen, dann hat dieses einen Lenkungseffekt, da andere mögliche Abstiegsoptionen durch die N-Flanke nicht in Erwägung gezogen werden, sondern nur das Band auf den Sporn. Es gibt etwas weniger Besteigungen auf der S-Seite, dafür um so mehr auf der N-Seite des Brünnsteins, dort nur an der einen Stelle.

3) Menschen lehnen eine weitere Erschließung des Brünnsteins ab und befürchten einen zu starken touristischen Druck auf die Natur. Daher werden sie den Brünnstein meiden. Weniger Menschen besteigen den Brünnstein.


Vom alpinistischen Standpunkt aus betrachtet ist der Durchstieg durch die N-Flanke wertvoller als ein zweiter Anstieg auf der S-Seite. Wir dürfen nicht vergessen, daß dieser bis dato der einzige bekannte Durchstieg nach N in der Kette Brünnstein - Rotwandlspitz - Brünnsteinschanze darstellt, die immerhin 2,8 km mißt!

Was mir im vorangegangenen Thema aufgefallen war: daß fast jeder Gesprächsteilnehmer sich als der bessere Umweltschützer sah; jeweils aus ganz unterschiedlichen Gründen.


Das Thema Brünnstein N-Flanke hat folgende Umweltschutz-Reaktionen hervorgerufen:

1)  Jäger als Hüter von wildlebenden Tieren werden in ihrer Arbeit beeinträchtigt, wenn Touristen sogenannte sensible Bereiche betreten und dabei die Tiere stören.

2) Im  Brünnstein Bereich gibt es ganz seltene Wildtierpopulationen, nämlich das Steinwild. Ein Betreten des abseitigen Brünnsteins beeinträchtigt diese.

3) Gegenreaktion zu 1) Jäger sind keine Umweltschützer. Nur weil sie beste Verbindung zur offiziellen CSU-Staatsregierung haben, werden sie offiziell als solche wahrgenommen. In Wirklichkeit beeinträchtigen sie die Natur mit den Wildtierfütterungen und den Abschüssen, den Ansiedlungen neuer Arten, etc.. Angeblich verwechseln sie sogar Steinböcke mit Gämsen.
4) Gegenreaktion zu 2) Steinwild ist - wenn es von Menschen angesiedelt wird, sehr zutraulich und nicht so nervös. Eine Neuansiedlung bürgt nicht für eine authentische Natur. Hier bleibt also der Beigeschmack, daß der Mensch in den Kreislauf eingegriffen hat.

5) Haltung hier auf roBerge.de: Es ist sehr vielen Teilnehmern bekannt, daß es abseits der offiziellen Wegbeschreibungen noch weitere Wege gibt, die sogenannten Geheimtips. Immer, wenn solch ein Geheimtip  offenbart wird, ist die Empörung groß. Die Moralkeule Umweltschutz wird rasch geschwungen. Doch vorher wurde der Geheimweg totgeschwiegen. Sozusagen aktiver Umweltschutz durch Verschweigen.

6) Der alpine Wert einer -- in den Augen der radikalen Umweltschützer -- frevelhaften Wegbeschreibung wird sehr rasch angezweifelt. In diesem Fall habe ich den alpinen Wert sicherlich anhand der oben stehenden Fakten belegen können.

7) Weitere Reaktionen: Entweder wird ein radikales Begehungsverbot a la Geigelstein gefordert oder man befürchtet es bei Bekanntwerden einer solchen Wegführung.

Mein Kommentar hierzu: Nur Polizei und Försterei kann solch ein Begehungsverbot durchsetzen. Da die Forstwirtschaft in der Staatsregierung keine oberste Priorität hat (wir sehen es daran, daß immer mehr Forstdienststellen aufgelöst werden und die Förster als Hauptschullehrer eingesetzt werden) und außerdem der Brünnstein im Gegensatz zu den Großstädten keinen kriminalistischen Schwerpunkt darstellt, wird es in Zukunft auch keine Neuausweisungen von Naturschutzgebieten geben.  Die aktiven Bergwachtler, die ursprünglich auch für die Aufrechterhaltung von Anstand und Sitte gegründet wurden, werden mir sicherlich bestätigen, daß sie gegenüber Umweltfrevlern genauso mächtig sind, wie der Parkwächter am Spitzingsattel!

Bei der gegenwärtigen Staatspolitik wird es den Jägern also nicht gelingen, ihre Pacht sozusagen wasserdicht zu bekommen.

Viel Stoff für solch ein Thema,...

Viel Spaß beim Durchlesen und Widersprechen wünscht
moebius


Schneeschuh

Das Problem ist doch folgendes: es gibt scheinbar einige Leute (Bergsteiger, Jäger, Einheimische, Geheimtipp-Besitzer), die glauben ein Exklusivrecht auf ein bestimmtes Stück Natur zu haben.
Dass dieses Stück Natur, dieses Stück Bergeinsamkeit und Ursprünglichkeit auch anderen zusteht, wollen sie nicht einsehen. Dann wird schnell das Argument "Naturschutz" aus dem Ärmel geschüttelt, um eigene, vermeintliche Exklusivrechte zu sichern. Wer wirklich ein Problem damit hat, dass Menschen in einen bestimmten Bereich eindringen muss vorallem eines machen: mit gutem Beispiel vorangehen und selbst schön brav wegbleiben. Aber da hört's dann meistens auf mit dem Naturschutz.

faxe318

Zum Teil ist das natürlich ein ernstes Thema (wo sind für die Natur sensible Gebiete, wie kann man sie schützen?), mir wird das hier aber trotzdem zu ernst diskutiert.

Einen Geheimtipp zu kennen, ihn nicht gleich öffentlich auszurufen und sich zu freuen, wenn da wenig Leute sind, macht doch Spaß. Sei also auch jedem Mal vergönnt.  Dass der Naturschutz generell vorgeschoben wird, halte ich für einen Mythos. Wer die Berge liebt, liebt hoffentlich auch die Natur.

Bei diesen verbiesterten Menschen, die sich ärgern, wenn am Gipfelkreuz schon Gleichgesinnte sitzen, habe ich zwar auch wenig Verständnis, aber jedem das seine.

Schneeschuh

Aber natürlich macht das Spaß, und das soll es ja auch. Nur darf ich dieses Recht anderen nicht absprechen. Diese "Geheimtipp-Besitzer" kommen mir manchmal vor wie Kindergartenkinder: "Ich hab's zuerst gesehen ...."

Und soviel zum Thema Ernst: Ich kennen einen Journalisten, der wohnte einst in Lenggries. Bis er den Fehler gemacht hat, eine sog. Einheimischentour in die Zeitung zun stellen. Jetzt wohnt er nicht mehr in Lenggries, denn er und seine Familie wurden derart gemobbt, dass sie es nicht mehr ausgehalten haben.
"Geheimtipp-Schützer" aus dieser Gegend haben sich auch schon an den Reifen von Autos und Wohnmobilen zu schaffen gemacht. Das alles finde ich halt nicht mehr so lustig und Du ?

faxe318

Nein, das finde ich auch nicht mehr lustig. Ich weiß, dass es unter den Berggehern neben den Genießern auch viele Eigenbrödler und seltsame Gestalten gibt. Das wollte ich mit meinem letzten Absatz andeuten.

Nur: Man tut der Naturschutzbewegung in den Alpen, die es zum Glück gibt, Unrecht, wenn man das so stark in Zusammenhang mit Jägerlobby und Einheimischen stellt, die ihre Reviere verteidigen wollen. So subtil sind die meist nicht, dass die beim DAV eine Initiative für Skifahren umweltfreundlich oder so stellen.


thomas_kufstein

Na das freut mich ja, dass auf der Natur-Seite wieder so heiß diskutiert wird!

Gut für's Forum!!!

Allerdings sollte man schon auch respektieren, dass so weit ich das Überblicke hier auf roberge viele leute sind die Geheimtipps preisgeben, ja sogar aktiv neue geheimtipps erschließen und posten (vgl.  Zettenkaiserkopf, etc.)

Hier auf der Natur-Seite wollte glaube ich noch nie jemand ein betretungsverbot für irgendwas a la Geigelstein oder so durchsetzen. Meistens reicht da ein freiwilliger Verzicht. Wer nicht verzichten will (oder kann) der muss das mit sich selbst ausmachen.

Selbstverständlich gibt es sowohl für unsere Wildtiere als auch für die einheimische Flora wesentlich stärkere Gefährdungen als einen Tourengeher (Schadstoffeintrag, Klimawandel, u.U. die Jagd bzw. je Nicht-Jagd, ...). Nur hat man diese Gefährdungen als einzelner halt selten im Griff. Die Auswahl der wirklich zahlreichen Touren (unter denen natürlich noch wahnsinnig viele Geheimtipps, die wir alle natürlich überhaupt gar nie nicht verraten werden  ;D) macht doch ein Ausweichen gerade bei uns sehr einfach.

Übrigens zähle ich mich als freiwillig exilierter Franke persönlich auch zur Zuagroasten Gemeinde. Nach meiner Erfahrung nehmen einen die locals  bei entsprechend guter Führung  (;D) auch ab und an mal auf einen Geheimtipp mit.
Die Anzahl der Geheimtipps wird aber nach meiner Meinung von vielen total überschätzt. Ich glaube, das die richtig schönen Fleckerl bei so aktiven Leuten (s. Montagsrätsler, ...) sehr selten lange geheim bleiben bzw. schon immer recht gut besucht wurden.

So jetzt hab ich auch noch meinen Senf dazu beigetragen.

Außerdem glaub ich, dass ich mir diese Brünnstein-Nordflanke unbedingt nächsten Sommer einmal anschauen muss, wenn da so heiß diskutiert wird. Ob sich da der ganze Aufwand wirklich lohnt.

Servus,
Thomas




faxe318

Wir sind ja zweimal Anfang Mai von der Kampenwand rüber zum Geigelstein und haben auch die Rauhfußhühner gesehen. Habe jetzt erst in dem Geigelstein-Heft gelesen, dass man da bis Ende Mai nicht hin soll und die Tiere bis zum Tod gestresst werden können.

Reinhard

Irgendwo in dieser Diskussion (es könnte auch im Forum "Bergtouren" sein), wird erwähnt, dass der Steinbock ursprünglich ja gar nicht am Brünnstein beheimatet war, sondern später angesiedelt wurde.

Damit durch diese Bemerkung nicht ein falscher Eindruck entsteht, hierzu ein paar Anmerkungen von mir:

Es stimmt zwar, dass der Alpensteinbock vor seiner Eingliederung (vermutlich) nicht am Brünnstein beheimatet war. Doch gab es ihn in anderen Bereich des heutigen Landkreises Rosenheim (!), wo er vollständig ausgerottet wurde. Und zwar in der Nähe des Farrenpointsteines (östlich von der Riesen-Alm) sowie im Laubensteingebiet.

Anfang des 19. Jahrhunderts gab es im gesamten Alpenraum nur noch etwa 100 Tiere im italienischen Gran Paradiso. Von diesen 100 stammen auch die Brünnstein-Steinböcke ab.

Deshalb sollte es für den einen oder anderen Skifahrer kein Anlass sein, die Problematik "Brünnstein-Nord" zu verharmlosen. Auch ich finde, dass in diesem Bereich zum Schutz des Schalenwildes diese Skiabfahrt nicht angebracht ist und auf alle Fälle nicht durchgeführt werden soll! Abgesehen davon, dass dieser Bereich extrem steil und lawinengefährdet ist.


In dem neuen und äußerst umfangreichen Buch "Flora und Fauna im Landkreis Rosenheim" von Hans Smettan steht nachfolgender interessanter Text über die Eingliederung der Brünnstein-Steinböcke:

ZitatDrei Böcke und zwei Geißen, die aus dem Wildpark Peter und Paul in St. Gallen/Schweiz stammten, tieß im Mai 1963 der Schweinfurter Industrielte Ernst Wilhelm Sachs am Brünnstein einsetzen. Der Oberjäger Josef Biller aus Mühlau bei Kiefersfelden, der damals bei ihm angestellt war, erzählte im August 2000 Genaueres zur Aussetzung:
Die Tiere wurden mit einem Unimog, soweit es ging, ins Gießenbachtal transportiert. Dann trug man sie in Transportkisten bis etwa 300 Meter hinter das Naturfreundehaus "Gießenbach-Haus". Nachdem sie die Freiheit erhalten hatten , verzogen sie sich nach 20 Minuten bergwärts und tauchten eine Dreiviertel Stunde später auf der Steilen-Alm auf. Hier verloren sich ihre Spuren. Erst vierzehn Tage später wurden sie an der Rotwandlspitz wieder gesichtet. An diesem Felskopf und dem angrenzenden Gipfelmassiv des Brünnsteines halten sie sich auch jetzt noch bevorzugt auf.
Trotz des sehr kleinen Felsengebietes gedieh die Kolonie überraschend gut und schon 1979 war sie auf 80 Stück angewachsen. Im darauf folgenden strengen und langen Winter gingen trotz Fütterung 50 Tiere ein.