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09.-11.08.2022: BGA-Watzmann: Via Archenkopf durch die Ostwand

Begonnen von geroldh, 14.08.2022, 15:51

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geroldh

Diese ,,Touren-Idee" war relativ kurzfristig entstanden – zu allen Etappen konnte ich bereits aus den Vorjahren auf entsprechende Vor-Ort-Kenntnisse zurückgreifen – und das stabile sowie temperierte Sommerwetter, einschließlich der vorhandenen ,,Öffi-Gratis-Fahrkarte", sollte gut genutzt werden.

So fahre ich am späten DI-Morgen mit dem Zug von Rosenheim via Traunstein, Freilassing (Umsteigen) und Bad Reichenhall nach Berchtesgaden ,,Hauptbahnhof" (540 m). Auch wenn der Salzburger Zug einige Minuten Verspätung aufgebaut hat, so wartet der Anschlusszug auf die Umsteigenden – und dies sind an diesem werktäglichen (Ferien)Tag Einige. Das kurze Triebfahrzeug füllt sich schnell, wer etwas langsamer ist, hat nur noch die Möglichkeit eines Stehplatzes, wenige ,,Fahrrad-Reisende" das Nachsehen, v.a. an den folgenden Zwischenhalten. Aber die Wenigsten wollen sich Berchtesgaden ,,ansehen" und so füllt sich vor dem Bahnhofsgebäude die entsprechende Bushaltestelle nach Königssee zusehends und etwas später der kurze(!) Linienbus – viele können gar nicht mehr mitfahren und werden auf die nächste Fahrt vertröstet – einen direkt verkehrenden ,,Ferien-Shuttle" (Verstärker) hat man offenbar nicht eingerichtet. Vollgestopft wie eine Sardinen-Büchse kurvt der Bus dann noch lokale Haltestellen auf einer kleinen kurvigen Bergstraße ab und gelangt an die Talstation der Jennerbahn: Gibt es hier heute Freifahrt? Jetzt hat die Seilbahn bereits durch Modernisierung aufgerüstet und dennoch hat es auf dem Vorplatz eine riesige Warteschlange – für etwa die Hälfte der Ausflügler aus dem Bus ist dieser Anblick nicht abschreckend genug... Am überfüllten Groß-Parkplatz vorbei wird gleich darauf die Haltestelle Königssee (ca. 610 m / ca. 11: 00 Uhr) erreicht, mit mir steigt auch die andere Hälfte aus – und mischt sich unter das Gewurle der touristischen Fußgängerzone Seestraße, die direkt auf die Seelände zuführt. Dort vor dem Kassenhäuschen der Königsseeschiffahrt und an den drei Boots-Stegen das gleiche Bild: Eine Warteschlange bis in die Seestraße hinein – wollte ich an diesem späten Vormittag nach St. Bartholomä ,,übersetzen" (derz. 10,00 €), so gäbe es mindestens eine Stunde Wartezeit in der prallen Sonne...

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Mit einem engen Ausschnitt wird es ein idyllisches Bild ohne Touristen

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Historische "Villa Beust" ("Café Malerwinkel") und Felseninsel ,,Christlieger" (auch Johannesinsel)

Der Ufer-Promenadenweg zum Abfluss-Wehr ,,Seeklause" (Brücke) ist noch gut besucht, auch gegenüber der untere Bereich der Kunsteisbahn Königssee. Dort wandere ich bis zum Kreisel hoch und biege dahinter unscheinbar in den Wald hinein ab – es folgt (nach dem Toilettenplatz...) Einsamkeit und Ruhe pur – und für mich kann's heute ab hier naturnah weitergehen. Seit meiner letzten Begehung im Sommer 2017 hat es wieder ein paar Bäume quergelegt, die nun zu überkraxeln sind, mit der entsprechenden Übung kann ich den im heutigen OnlinePortal BayernAtlas verzeichneten Steig (tw. T4) auch im hohen Gras gut folgen. Es ist ein (ur)alter Almsteig zur lange verfallenen Falkenstein-Alm, die bereits in der Zeitreise-Karte von 1900 als verfallen markiert ist – das Steigbuch (neu seit Feb. 2021 / letzter Eintrag Ende Juli) kurz vor dem Brentengraben weist ihn entsprechend als ,,Falkensteinersteig" aus.

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Historische Handarbeit am ,,Falkensteinersteig"

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Ausblick vom ,,Falkensteinersteig" (am Brentengraben)

Als der Steigverlauf in die nördliche Richtung zurück zur Forststraße führt, verlasse ich ihn, die Mulde des Brentengrabens durchquerend. Hier möchte ich, wie zuletzt in der ,,Zeitreise-Karte" von 1966 verzeichnet und bereits annähernd vor einigen Jahren von mir ,,begangen", dem historischen Verlauf zur Archenkanzel folgen. Dieses Mal wird ein Felswandl, vielleicht auch wegen weiterer umgestürzter Bäume, etwas weiter rechts erklommen und so kann ich dort in direkter Nähe eines großen Felsblocks einen ziemlich gut erhaltenen Markierungspunkt entdecken. Um mir einen Reim auf den möglichen Markierungsverlauf zu machen, wird die nahe Umgebung abgesucht und ein alter eingewachsener Waldweg gefunden, dem ich nun interessiert in der passenden Richtung folge. Leider nimmt die Ausprägung im Gelände ab und ich gelange auf eine alte Abholzungsfläche, heute durch den Lichteinfall eher ein ,,Dschungel". Zurück gehen möchte ich nicht mehr und so kämpfe ich mich in Richtung der heutigen Forststraße, um diese allerdings gleich darauf, einem kleinen Waldweg folgend, wieder zu verlassen. Die Richtung stimmt, der Weg wird zu einem Steig, anfangs den Hang querend, später als Trittspur den Hang direkt erklimmend und dann in einen verzeichneten Steig am Kamm einmündend. Auf diesem ist wenig später der Gipfel des Archenkopfs (1451 m / 15:45 Uhr) erreicht – hier war ich noch nie und damit hat sich auch diese Entdeckervariante gelohnt. Nach einer Pause mit Blick hinab zum See folge ich auf der anderen Seite der Spur hinab zum Aussichtspunkt Archenkanzel (1346 m), nicht ohne den historischen Steigverlauf von oben herab zu erkunden – wieder wird etwas alte rote Farbe an einer kleinen Felswand gefunden. Etwas schade, dass diese durch den nahen steilen Felsabbruch anspruchsvollere Möglichkeit nun zunehmend in Vergessenheit gerät.

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Sommerlich trüber Ausblick vom Archenkopf

Es ist bereits Spätnachmittag als auf den stellenweise seilversicherten ,,Rinnkendlsteig" eingebogen wird, der nun angenehm im Schatten liegt (es gibt noch dreimal ,,Gegenverkehr" nach oben) und mich zügig zum See hinab führt. Diesen bereits in touristischer Einsamkeit erreichend, habe ich sowohl das kiesige Ufer ,,Eiswinkel" als auch eine Rastbank für mich ganz allein, um mich im herrlich klaren Wasser zu erfrischen und anschließend die mitgeführte Abendbrotzeit einzunehmen. Gemäß Fahrplan sollte das letzte Boot bereits um 18:00 Uhr abgefahren sein (damit ist in St. Bartholomä auch kein Bier mehr erhältlich), doch draußen ist immer noch reger Schiffsverkehr – in beide Richtungen. Am nächsten Tag wird mir erzählt, dass an der Anlegestelle St. Bartholomä die Ausflügler durch den Biergarten hindurch bis an den Waldrand in der Nähe der Nationalpark-Infostelle für die Rückfahrt angestanden sind. Dann war es genau richtig, mir entsprechend viel Zeit für den einsamen Hinweg zu nehmen. Gegen 19:30 Uhr dreht ein Boot auf dem See um, offenbar hat man jetzt auch die letzten Touristen eingeladen, um sie ans ,,Festland" zurückzubringen. Es wird nun auch für mich Zeit, zum Ostwandlager (ca. 605 m) zu gehen und bei einsetzender Dämmerung mein Nachtquartier zu beziehen – die ersten ,,Ostwandler" liegen bereits in ihren Kojen.

(Fortsetzung folgt)

geroldh

Die (sternenklare) Nacht zieht sich, es ist eher ein Dösen denn ein Schlafen, zu sehr wollen die Gedanken in die Ostwand vorauseilen – und ich vermute, auch den anderen ergeht es mehr oder weniger ähnlich. Ich liege in derselben Koje wie vor knapp vier Jahren, als Patago und ich diese höchste Wand der Ostalpen gemeinsam zum ersten Mal angegangen sind. Auch damals war es das Unbekannte und die Ungewissheit, die für eine gewisse innere Unruhe sorgte. Heute meine ich bereits ziemlich genau zu wissen, was mich erwarten dürfte. Damals hatten wir zwar ein Seil dabei, es aber am Ende doch nicht ,,gebraucht" – und mitunter nur dadurch darf ich für mich die neue Durchsteigung ,,im Alleingang" auch verantworten. Auch wenn das Topo als Skizze wieder mit im Gepäck ist, so ,,arbeitet" im Kopf die Unsicherheit, dass ich im Extremfall bei der Routenfindung und einem möglichen Verhauer vollkommen auf mich selbst gestellt sein werde. Damals hatte sich mit uns im Einstiegsbereich der Wand eine gleichstarke Sechser-Gruppe zusammengefunden, die sich weiter oben bei der Topo-Interpretation bzw. der Routen-Findung gemeinsam unterstützt hatte – auch für dieses Mal könnte ich mir eine ähnliche Konstellation vorstellen.

Um 4:00 Uhr morgens ist allgemeines Aufstehen und Aufräumen angesagt, eine viertel Stunde später sind die meisten – eine Dreier- und eine gemischte Zweier-Gruppe – im Dunkel der Nacht verschwunden. Ich starte wenig später, aus dem Nebenraum wird mich/uns ein Paar später am Wandfuß einholen. Mit der Hirnbirn marschiere ich den Weg in Richtung zur Eiskapelle durch den Wald, der ab der Bachbrücke und der danebenstehenden St. Johann und Paul-Kapelle zunehmend steiler und steiniger wird. Seit dem großen Unwetter vor wenigen Jahren führt der Steig nun durch das breite Bachbett, da die Böschung nun endgültig weggerissen worden ist. Auch später hat sich die Umgebung stark verändert – ein großer Felsblock mit Gedenkplaketten liegt nun mitten in einem breiten gerölligen Bachbett, vorher standen Büsche drumherum.

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Auf den Zustiegsrippen, das Schuttkar mit Wassermöglichkeit ist bald erreicht

Die Dreier-Gruppe ist ziemlich flott unterwegs, anfangs noch am Lichtschein zu erkennen, später nach dem Sonnenaufgang weiter oben bereits in die Felsen einsteigend – ich vermute, dass sie die Route bereits sehr gut kennen, ich möchte ihnen jedoch nicht hinterher hetzen. Zur Dämmerung hole ich die Zweier-Gruppe ein, die hier erstmalig unterwegs ist und mit mir zwischen den kleinen Bachläufen den Einstieg bzw. den Beginn des Berchtesgadener Wegs auf ca. 850 m zu finden versucht. Durch eine eingelegte Pause steige ich ihnen voraus, denn als gewisses Sammel-Zwischenziel gilt das Schuttkar (1350 m / 6:30 Uhr) mit dem Nachfüllen von Wasser, dem Anlegen der Gurte und dem Auftragen von Sonnencreme. Hier werde ich vom Paar aus dem Nebenraum und der Zweier-Gruppe überholt, die – obwohl mit Topo ausgestattet und wir auch kurz über den Weiterweg gesprochen hatten – schnurstracks nach oben in die Rinne hineinklettern. Hmm, letztendlich ist hier jeder selbst für seine Entscheidungen verantwortlich und vielleicht kommt man auch dort nach oben... Ich lasse mich dadurch nicht beirren und halte mich sowohl an meine Erinnerung als auch an die Skizze und nehme den schrofigen Rücken zum Aufstieg – einige Sicherungshaken geben mir unmittelbar Rückmeldung hier richtig zu sein. Beim sog. 1. Sporn angelangt, schaue ich in die Rinne hinab und sehe die vier unten herum probieren... Nach oben hin steilt sich die Rinne zunehmend auf und ich rufe ihnen nun hinunter, dass sie falsch seien und nach rechts herausmüssen. Dies war wohl nur noch der letzte Impuls zur Einsicht: Die Zweier-Gruppe sichert aus der Rinne heraus und vom Paar, dessen ,,Leithammel" (Ich-weiß-es-besser-obwohl-zum-ersten-Mal-hier) dieses Malheur eingebrockt hat, ist nichts mehr zu sehen – wie später berichtet wird, dürften sie wohl abgebrochen haben und umgedreht sein. Vielleicht auch besser...

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7:45 Uhr: Blick vom 2. Sporn auf die Wasserfallwand – vor der weißen Wand geht es rechts hinaus

Nun gut, dann ist es jetzt so, dass ich für die nächste Zeit hier allein am Kraxeln sein werde, hinter mir noch jemand wissend – und wahrscheinlich werden mit dem ersten Boot des Tages auch noch flinke Einheimische folgen. Die Skizze mit der Realität abgleichend gelange ich an die plattigen Stellen unterhalb der Wasserfallwand, die eine erste III bieten soll. Es ist keine Möglichkeit zur Ablenkung da und ich kann mich vollständig auf das sichere Klettern konzentrieren. Irgendwie hatte ich diese Passage als etwas einfacher abgespeichert, ein wenig kniffelig ist es hier schon... Beim Rechts-Knick auf ca. 1750 m sehe ich etwa 100 m unten die Zweier-Gruppe diese Stelle erreichen, ich orientiere mich nach vorne und kraxle genussvoll eine lange und schattige Rinne (,,Rampe") empor.

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8:30 Uhr: Nach dem Rechts-Knick der Blick von der grasigen Rampe in die schattige Rinne

Nach dem Ausstieg ein kleiner Verhauer, ich interpretiere zu tief und darf nach oben korrigieren. Es folgt angenehmes Kraxel-Gelände, das durchaus als ausgesetzt bezeichnet werden darf. Auf etwa 1950 m wird es mit zwei III'er-Stellen ziemlich kleingriffig. Hier ist nochmals volle Konzentration gefordert, am besten auch gar nicht nach hinten und hinunter schauen... Geschafft! Ich steige auf die rückenartige Wiese (ca. 1990 m), die auf dem Topo die ,,Halbzeit" markiert und üblicherweise als Brotzeitplatz genutzt wird. In der Sonne ist es mir zu unangenehm, ich verziehe mich in die Höhle und krame im Rucksack nach den mitgebrachten Kalorien. Nun, im Schatten ist die Luft durchaus recht kühl und nach einer dreiviertel Stunde packe ich zusammen – von der Zweier-Gruppe ist noch nichts zu sehen.

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9:30 Uhr: Die (Biwak- oder) Pausen-Höhle am ,,Brotzeitplatz" – dahinter die Gipfelschlucht

In der folgenden sog. Gipfelschlucht mache ich die Trinkflaschen noch einmal auf zwei Liter voll. Das gemäß Topo nach rechts hinausqueren habe ich verpasst, macht nix, hier hatten wir damals ohnehin (als Kleingruppe) unsere Orientierungsprobleme, in der Schlucht ist es recht griffig und die Route soll oben ohnehin wieder heranführen. Ja, ich erkenne mit ziemlicher Sicherheit das heran leitende Band aus der Zeichnung – ich habe mit hoher Wahrscheinlichkeit einen direkten Bezugspunkt zur Skizze. Nun soll es nach oben kurz rinnenartig weiterführen, an einer ,,su" (Sanduhr) vor einem Turm nach rechts heraus gequert werden. Ich klettere los und bin gefühlsmäßig bald über das interpretierte ,,kurz" hinaus. Auch sind um mich herum einige turmartige Felsaufbauten zu erkennen – welcher ist nun der richtige ,,Turm"? ,,su's" können ziemlich unscheinbar sein, bei meiner letzten Kletterfahrt am Zettenkaiser habe ich die Hälfte der möglichen ,,su's" sowieso übersehen... – und hier ist das Gelände ohnehin noch weitläufiger... und ohne Steinmännchen (die ,,überleben" hier den Winter nicht) oder andere Markierungen. Ich hole das Topo hervor, schaue darauf und ins Gelände – irgendwie passt hier beides nicht gut zusammen. Habe ich das Hinausqueren bereits verpasst? Keine Ahnung... – und Sch... auch keine Erinnerung an damals (= Gruppeneffekt...). Ich klettere somit noch in der glatt geschmirgelten Rinne weiter (daher auch keine Trittspuren möglich), wieder Zweifel – bin ich richtig oder auf einem Verhauer unterwegs? Weiter hinauf erscheint es geländemäßig zwar offensichtlich, aber dies kann durchaus auch der Beginn eines ,,Holzweges" sein. Und hier (fast durchgehend um die II mit ggfs. kurzen III- Zügen) wieder hinunterklettern möchte ich auch nicht so gerne... Es ist zwar steil, aber wenigstens ist es nicht allzu ausgesetzt. Wieder das Topo herausgeholt, ich kann mir aktuell wirklich keinen Reim mehr machen. Beim Wegstecken verspüre ich jedoch jedes Mal ein leichtes positives Bauchgefühl – und klettere dadurch weiter. Dann wow, da oben ist ja tatsächlich ein kleiner Felsbogen an einen turmartigen Aufbau angelehnt, dies wird dann wohl die bezeichnete ,,su" sein. Dann mit dem Herausqueren wird es auch wieder kiesiger, eine Art getretener Pfad ist zu erkennen – hier bin ich mir nun wieder sicher richtig zu sein. Und des Rätsels Lösung? Eine vergleichbare Entfernung, die kurz vorher noch auf 5-6 cm (A3-Ausdruck) daherkam, ist nun (mangels Information) auf weniger als 1 cm gestaucht! Topos sind nie maßstabsgerecht, aber hier wäre ein dezenter Hinweis schon hilfreich gewesen (ein Plan verwirrt den Verstand).

Wenigstens kann ich nun – auf dem Kopf ,,Dabelsteinplatte" stehend – den anderen unten die korrekte Richtung signalisieren. Über eine (längere) Kante wird nun gemeinsam mit der Zweier-Gruppe und genau zum Mittagsläuten das orangefarbene Biwak auf 2380 m erreicht – Pause (auf dem ,,Zembsch-Bankerl"). Wie ich später von almrausch erfahre, die gleichzeitig mit Familie die klassische WM-Überschreitung gemacht hat, ist die Dreier-Gruppe zu diesem Zeitpunkt bereits mit ihnen auf der Südspitze angekommen. Nun steigt ein weiterer Einzelgänger herauf. Meine Frage nach dem ersten Boot (8:00 Uhr ab Seelände) wird bejaht, für die Folgefrage nach der Häufigkeit seiner Durchsteigungen (= Übung) bekomme ich nur noch ein Schulterzucken... Ja, so san's, de Bercht'sgod'ner.

Nach einer viertel Stunde, dann wird es im Schatten ohnehin zu kühl, gehen wir nun zu dritt weiter, alsbald in die Ausstiegs-Kamine einsteigend. Nun tauchen unter uns zwei Burschen auf, die (das erste Mal hier) ebenso seilfrei förmlich an uns vorbeifliegen... Ja, auch das erste Boot, und Verhauer hätten sie auch nicht ausgelassen, dann sind sie auch schon außer Sichtweite. Jetzt merke ich, dass die Ostwand mich heute stärker beansprucht hat, aber noch lassen sich die II-III'er Stellen gut klettern. Für die ,,Schlußwand" mit der III+ Schlüsselstelle packen die beiden nochmals ihr Seil aus – damals ganz gut frei geschafft, gehe ich heute auf Sicherheit und lasse mich hier kurz hochsichern. Eine brüchige, aber einfache Umgehung zum Grat hin sei zwar möglich, aber das nächste Mal werde ich die direktere Umgebung dieses Aufschwungs begutachten, vielleicht gibt es noch eine weitere einfachere Möglichkeit. Die letzten Rinnen vor dem Grat bringe ich mit einer gewissen Unlust hinter mich, dann ist es noch vor 14:00 Uhr als wir die Watzmann-Südspitze / Schönfeldspitze (2712 m) erreichen. Die große Masse der Überschreiter ist hier bereits durch, der Gipfel bis auf einzelne ,,Klettersteiggeher" unser.

Von der Wettervorhersage her habe ich erwartet, dass es kaum Bewölkung hätte, doch wie bereits am Vortag kondensiert die Feuchtigkeit noch unter Kammniveau aus, aber durch den leichten Ostwind ist die luvseitige Ostwand stets nebelfrei, während sich in der leeseitigen Westflanke den ganzen Tag über die Bewölkung hartnäckig hält.

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Blick von der Südspitze zur Mittelspitze – und der Watzfrau mit den Kindern

(Fortsetzung folgt)

geroldh

Die Aussicht hält sich in Grenzen, am besten ist sie noch in die östliche Richtung. Zum in die Ferne schauen ist der Tag wenig geeignet, daher Zeit sich über den Rückweg Gedanken zu machen. Auf der Watzmann-Südspitze angelangt, ist der nachfolgende Abstieg zum Ausgangsort in jede Richtung ein Gfrett (,,lästiger Aufwand"). Mir sind derzeit drei brauchbare Möglichkeiten bekannt: Die steile Südseite mit dem ewig langen Talhatscher das Wimbachtal hinaus, die Gratüberschreitung ,,gegen den Strom" nach Norden mit Abstieg zum Watzmannhaus oder alternativ der (anspruchsvolle) Abstieg via der Wiederroute.
Die anderen beiden wollen nach Süden absteigen und streben Kaffee und Kuchen bei der Wimbachgrieshütte an, daher mache ich mich nun wieder allein an die Überschreitung des Grates. Gestuft und mehr oder weniger ausgesetzt geht es in eine kleine Einsattelung (2594 m) hinab und dann drüben wieder entsprechend hinauf zum nächsten Gratgipfel. Hier bin ich nun fast allein unterwegs, nur ein Steingeiß mit Kitz ist vor mir am Grat. Ohne zu treiben, folge ich ihnen – da wo Homo Sapiens für sich ein Seil angebracht hat, springen sie nur leichtfüßig hinauf – bis sie zu einem weiteren Kitz in den weniger steilen westlichen Bereich ausweichen und im Nebel der Wolke entschwinden.



Die Watzmann-Mittelspitze (2713 m / ca. 15:00 Uhr) ist erreicht und eine Entscheidung zu treffen: Körperlich und mental erschöpfter als vor vier Jahren (damals mit dem Boot übergesetzt) – kleine ,,Stolperer" machen dies deutlich – habe ich (im Alleingang) keine Lust mehr auf Ausgesetztheit und Routensuche in der ,,kleinen Ostwand", auch wenn die Variante Wiederband den größten Charme hätte. Dafür gibt's wenig später eine Art Entschädigung, die Steingeiß mit ihrem Kitz ist wieder am Grat – während ich über den Gipfel gekraxelt bin, sind sie offenbar im ,,Hase-und-Igel-Spiel" auf Felsbändern drum herum gelaufen. Da von anderen Begehern keine Störung mehr kommt, kann ich mich langsam annähern und in Ruhe beobachten. Zwischendurch macht das Kitz einen Abstecher in die steile Ostwand – huh, fall' da bloß nicht runter!

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Nun, mehr Photos von der Geiß gemacht – das Interesse des gegenseitigen Beschauens war auf beiden Seiten vorhanden ;) – als von der Ostwand selbst, lasse ich sie ziehen und gelange bald auf das Hocheck (2651 m / ca. 16:15 Uhr). Nach einer kleinen Pause folgt der endgültige Abstieg – und der zieht sich doch länger als ich es in Erinnerung hatte. Das Watzmannhaus (1930 m / ca. 18:00 Uhr) lasse ich wortwörtlich links liegen, obwohl jetzt ein kühles Bier eine wahre Freude wäre, aber wenn ich sitze, so fürchte ich, stehe ich nicht mehr auf... Obwohl auf dem Haus bald Essenszeit ist, kommen mir nun auf dem Steig hinab zur Falzalm (ca. 1650 m) noch viele bepackte Touristen entgegen. Dort auf den Falzsteig abgebogen, bin ich wieder allein unterwegs. Anfangs steiler absteigend quert der Pfad zunehmend zur Hochfläche Kühroint (1420 m / ca. 19:15 Uhr) hinüber. Von dem weiteren (langen und steilen) Abstieg wissend und heute Abend ohnehin keine vernünftige ÖPNV-Verbindung mehr erhaltend, wurde zuvor schon die Entscheidung zur dortigen Übernachtung getroffen. Dadurch lässt sich auch ganz ohne Zeitdruck im letzten Licht der Sonne das belohnende Touren-Bier auf der Kühroint-Alm (endlich) sitzend genießen.

(Fortsetzung folgt)

geroldh

Auf der Kühroint lässt es sich gut schlafen. Dies war beim letzten Mal so – und so ist es auch heute. Der Körper hat etwas Schlaf nachzuholen... Die Morgendämmerung beginnt, noch etwas dösen bis das erste Licht auf die Ostflanken von kleinem und großen Watzmann trifft, die ersten Bergler ,,stöckeln" los, welche Gipfelziele haben sie sich wohl vorgenommen?

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Watzfrau und Watzmann erwachen – ein neuer Bergtag beginnt

Zum Frühstück mit Watzmann-Blick gibt's die mitgetragenen, nun wertvoller gewordeneren Kalorien aus dem Rucksack, dann beginnt mein stressfreier Abstieg auf dem alten Almsteig. Weit komme ich aber nicht, dann muss ich mich einfach bücken – es gibt frische Blaubeeren – aber leider ohne Kuchen drumherum. Der Steig wird zunehmend steiler, es ist wieder unangenehmes Einbremsen vonnöten – bevor Kehren angelegt wurden, hat man lieber direkt die Hangneigung nach oben gebaut...

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Der Grünstein – hätte noch einiges Potential für eine Erweiterung der Klettersteige

Je näher ich dem Grünstein und damit dem Klettersteig-Zustieg komme, desto mehr ist zu erkennen, dass es dort etwas heftiger geregnet hatte: Brücke, Verrohrungen und Böschungen wurden neu hergestellt. Dort wo früher – wahrscheinlich jahrhundertelang – der Wirtschaftsweg in mehreren Serpentinen die Höhendifferenz bewältigt hat, ist heute eine Schuttreiße, das weggerissene Material hat der über die Ufer getretene Klingerbach für die Zerstörung des oberen Teils der Kunsteisbahn Königssee benutzt. Eine Weile war dieser Zustieg zum Grünstein-Klettersteig gesperrt, doch nun wurde auf dem noch vorhandenen Hang direkt am Wandfuß ein neuer ,,Fahrweg" angelegt, aber so steil, wie es wohl nur in den Berchtesgadenern geht: Noch einige Grad mehr und die kantigen Steine des schotterigen Belags würden davon rollen...
Offenbar wurde die Schwierigkeit für die Fußgänger bereits erkannt, an einem kurzen Wegstück wurde ein Treppenkonstrukt zusammengezimmert und mit Material ausgefüllt, um die Neigung stufenweise etwas zu reduzieren.

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Was am Stauwehr die Fischtreppe ist – ist hier nun die Menschentreppe...

Wenige Klettersteiggeher hängen schon in den Routen über mir, die große Masse ist nun bemüht, mit ihren tw. leichten Turnschuhen – und fast auf allen Vieren – diesen steilen Fahrweg zu ,,erklimmen" und den Einstieg in den Klettersteig zu erreichen. Ich bin in der anderen Richtung unterwegs, vorsichtig mit schräg aufgesetzten Sohlen und guter Knielage Schritt für Schritt absteigend, jederzeit bereit, den auf dem groben ,,Splitt" wegrutschenden Schuh abzufangen. Wenn ich hier diese Probleme habe, wie erst ergeht es dann den anderen weit weniger bergerfahrenen Leuten mit Kindern nach erschöpfender Tour beim Weg zurück ins Tal?
Neben dem Weg steht gebeugt ein älterer Herr mit "Schorsch Hackl – Schnauzer" und fotografiert eine der eingebauten, aber komplett mit Geröll gefüllten Wasserablaufrinnen aus Metall. Ich möchte vorsichtig an ihm vorbeisteigen, setze wohl aber etwas unkonzentriert den Fuß nicht sauber auf – und komme ins Rutschen, mit einer Armbewegung das Gleichgewicht wiederherstellend.
,,Na, hast' meinen Ausrutscher auch gut drauf?" frage ich ihn mit Ironie.
,,Do muast hoit guade Schua o'ziang." kommt es postwendend zurück.
,,Mit dene Schua bin i gestern durch de Ostwand durch, aber hier brauchst ja fast Steigeisen!" gebe ich ihm zurück.
Stichwort ,,Ostwand": Da sei er auch über dreißig Mal durch, zuletzt vor...
Wir kommen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass er als Wege-Referent der DAV-Sektion Berchtesgaden sich diesen, von der Gemeinde wiederhergestellten ,,Wanderweg" ansieht. Ich erfahre etwas zu den Umständen dieses ,,Provisoriums" und dann schweifen wir ab, den ein oder anderen (verfallenen) Steig im Nationalpark ansprechend.
Auf einer schiefen Ebene mit loser Auflage stehend ist anstrengend, dies hält kein Bergsteigergestell über eine längere Zeit durch und so wünschen wir einander einen schönen Tag und sagen servus, ich habe nicht mehr allzu weit, bis der ,,rettende" Teerbelag bei der Bobbahn erreicht ist. Hier im oberen Bereich wurde nur die Zufahrtsstraße gereinigt und die sichere Bachunterführung wieder hergestellt, in der Bahn selbst wurde das eingetragene Geröll und die Schäden belassen, es ist ja immer noch in Diskussion, ob und wie die Anlage vielleicht wieder aufgebaut werden soll.

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Der Rodel-Damenstart in Kurve 1: Diese Schranke öffnet sich so schnell nicht mehr...

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Im Bereich der früheren Überführung des Klingerbachs – Zerstörung pur

Ich sehe mich im zerstörten Bereich etwas um – das war früher mal der oberste Startbereich für die Rodel und Bobs – und wandere langsam hinunter zum Königssee, der ganze restliche Tag steht mir noch für die ÖPNV-Heimfahrt zur Verfügung.
Bei der direkt am Seeufer gelegenen Gaststätte Echostüberl werden die Vorbereitungen für den Tag getroffen, Getränke lassen sich aber bereits bestellen. So kann ich der Versuchung nicht widerstehen, mich direkt an den See zu setzen, ein kühles Bier zu genießen und dem beginnenden Ausflugsverkehr auf dem See zuzuschauen. Und weil's so angenehm ist, bleibe ich gleich bis um 11:00 Uhr die Bestellungen für das Mittagessen aufgenommen werden...

Die Heimfahrt mit RVO-Bus und BRB-Zügen verläuft ohne große Umsteige-Reserve noch reibungslos. Durch leichte Verspätungen war ein zügiges Umsteigen in Berchtesgaden und dann auch in Freilassing erforderlich – im zweiten Fall war tatsächlich von Vorteil, dass die ,,immer noch durchgeführte wiedereingeführte Grenzkontrolle" im Salzburger Zug noch nicht abgeschlossen war und dieser Zug damit noch nicht nach Fahrplan losgefahren war.
Noch am Nachmittag kann ich meinen Rucksack auspacken – eine anstrengende, aber tolle Bergfahrt ist zu Ende.

Zeitlassen

Meinen herzlichen Dank #prost# , dass Du uns auf die wunderschöne Tour mitgenommen hast! #danke1#

Zwerch

Zitat von: geroldh am 16.08.2022, 21:35Körperlich und mental erschöpfter als vor vier Jahren (damals mit dem Boot übergesetzt) – kleine ,,Stolperer" machen dies deutlich – habe ich (im Alleingang) keine Lust mehr auf Ausgesetztheit und Routensuche in der ,,kleinen Ostwand", auch wenn die Variante Wiederband den größten Charme hätte.

Wieder mal ein super Bericht von dir. Vielen Dank dafür.

Und Respekt, dass du die Signale deines Körpers erkennen, richtig einschätzen und danach handeln kannst.
Würden mehr Menschen diese Fähigkeit besitzen, gäbe es weit weniger Bergunfälle.


MANAL

Danke auch von mir für diesen spannenden Tourenbericht.  #danke1#

Du nimmst einem mit deinem Erzählstil wirklich gut mit auf eine Tour die weit über dem liegt was ich machen könnte. Auch schätze ich deine kritischen und auch selbstkritischen Anmerkungen und Kommentare zur Tour. Dieser Respekt vor dem Berg und dem eigenen Können würde vielen gut tun, ist aber in der heutigen Influencer-Generation wohl eher nicht gefragt.