09.07.2022: BGA-ReiterAlm: Wagendrischelhorn - "Zellerführe"

Begonnen von geroldh, 11.07.2022, 23:39

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geroldh

Die beiden roBerge-Berichte von BFklaus mit Übers Wagendrischelhorn von Anfang Juli 2015 und daniel's Durch die Südwand des Wagendrischlhorn von Mitte Sept. 2016 waren bereits zu weit weg, um ein direkter Impulsgeber dieser Bergfahrt zu sein. Doch im Herbst 2020 hatte Landler die almrausch mit seinem Bericht Über die "Zellerführe" und ... mit dem Ich-will-dort-auch-kraxeln-Virus infiziert, und dem Ergebnis, nun eine uns weitere bislang unbekannte Ecke zu erkunden. Für einen ,,richtigen" (Hoch)Sommertag wahrscheinlich viel zu warm, ist diese anregende Kraxel-Runde bei den derzeit unterkühlten Temperaturen angenehm machbar. Hat es am Vorabend noch eine vielversprechende Abtrocknungstendenz der Restbewölkung gegeben, so verhüllen sich die Gipfel am nächsten Morgen doch wieder ziemlich schüchtern...

Mit der Anfahrt nach Mayrberg (ca. 8:45 Uhr) lassen wir es heute etwas gemütlicher angehen, denn der Ausgangspunkt wird auf einer Anhöhe sein. Der in früheren Berichten (und im AV-Führer) stets genannte Berggasthof Obermayerberg (895 m) ist nun wegen Ruhestand dauerhaft geschlossen (Schild ,,Parken verboten" – einige Parkmöglichkeiten entlang der Straße etwas unterhalb) und wird in der OSM als ,,Wimmergut" (weiter)geführt. Zum Warmlaufen ist die nur leicht ansteigende ,,Bundesforststraße" soweit geeignet, die nach einer noch erträglichen Strecke bei der Jagdhütte Daxstein verlassen wird, um im Anschluss auf einen wunderschönen alten, ehemaligen Reitweg (,,Loferer Steig") überzugehen. Auf diesem mit gleichmäßiger Steigung angelegten Weg ist es eine wahre Freude durch den lichten Bergwald zu wandern und dann – aber leider nicht ohne weiteren Kontakt mit der Fahrstraße – die Jagdhütte Hochgscheid (1386 m, 10:00 Uhr) zu erreichen.

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Jagdhütte Hochgscheid vor Wagendrischelhorn und Stadelhorn – die ,,Zeller Eishöhle" ist als dunkler Fleck links von der Bildmitte bereits zu erkennen

Ab hier wird der Steig zunehmend steiler und führt durch ausgeschnittene Latschen hinauf zum Hochgscheidsattel (ca. 1700 m, 11:15 Uhr), der uns den Blick nach Osten auf das Hochkalter-Massiv öffnet. Weiter ansteigend nähern wir uns der Südwand des Stadelhorns, queren leicht absteigend darunter entlang und verlassen an vorgesehener Stelle den markierten Steig, der seilgesichert zur Mayrbergscharte hinaufführt, um hier weiter durch leichtes Schrofengelände zum Einstieg in die alte Kletterroute zu queren. Die Wagendrischelhorn-Südwand wurde nach Angaben im Jahr 1909 von M. Hartmann und M. Zeller erstbegangen und nennt sich nun etwas unfair Zellerführe. Dort stecken einige alte Normalhaken und an den ausgesetzteren Stellen auch neuere Bohrhaken, doch mit ausreichend Kraxel-Erfahrung und Schwindelfreiheit lässt sich die Zellerhöhle (ca. 1970 m, 13:00 Uhr) ohne nennenswerte Schwierigkeiten erreichen.

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Das Maul der Wagendrischelhorn-Südwand – die Zeller Eishöhle (Suchbild nach almrausch...)

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dito

In dem von Sebastian Steude im Mai 2020 ausgelegten Wandbüchlein hat es dieses Jahr erst zwei Eintragungen, doch sehr wahrscheinlich kommen hier wesentlich mehr Leute ohne ihren Eintrag vorbei. Selbstverständlich hat sich darin am 20. Sept. 2020 auch Robert aus Kufstoa - Hikr. >Landler< dokumentiert. ;)  Wir bleiben dort etwa eine dreiviertel Stunde, in der ich in den ,,Schlund" der Höhle hinabsteige, um an deren ,,Schatz" zu gelangen: Eis
Im AV-Führer von 1994 heißt es immer noch in der Beschreibung dieser Route: ,,... man gelangt ... zum Eingang einer eiserfüllten Höhle" - sowie der benachbarten Route: ,,... auf einen Absatz im östl. Begrenzungspfeiler der Höhle (Blick auf ihr grünes Eis)."
Dies mag vor einem Jahrhundert mit Sicherheit ein bemerkenswerter Anblick gewesen sein, doch wenn ich mir von dort oben die Sichtachse vorstelle, dann sind heute nur noch Schutt-Steine zu sehen, denn der klägliche Eis-Rest verbirgt sich nun um einiges tiefer in der Höhle.

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Die kalte Zunge der Zeller Eishöhle – ein kläglicher Rest harrt der Klimaerwärmung

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Ein Eis-Stalagmit sucht vergeblichen Schutz vor den steigenden Temperaturen

(Fortsetzung folgt)

geroldh

Derzeit wird das restliche Eis von einer Wasserschicht ,,geschützt" – so klar, dass es problemlos trinkbar wäre – ,,Drischel on the rocks" sozusagen.

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Speichelfluss oder Trinkwasserreservoir auf Eis

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Noch ein letzter Blick auf das schwindende Eis

Nach der Höhle befindet sich gemäß dem Topo die technisch schwierigste Stelle, die wir links an durchaus strukturiertem Fels relativ handsam umkraxeln. Danach bleiben wir etwas luftiger außerhalb der Rinne und gelangen alsbald auf einen grasigen Aussichtsbalkon.

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Blick vom ,,großen Wiesenabsatz" zurück auf Höhlenschlund und Stadelhorn

Es wird kurz etwas schuttig, dann ist vorsorglich ein Kontrollblick auf die Routenskizze erforderlich, um nun sauber durch eine kurze 2er Querung zu gelangen, eine leicht abdrängende ,,Unterbrechungsstelle" des Bandes mit etwas mehr Luft unterm Hintern über eine dort ansetzende Steilrinne. Insgesamt stellen diese ca. 7 Meter – mit zwei neuen Bohrhaken ausgestattet – für uns die Schlüsselstelle in der Zellerführe dar.
almrausch hat sich vorsorglich ein kurzes Seil in den Rucksack gepackt, doch dort wird es die gesamte Tour bleiben, denn dank ihrer vorhergehenden Kurse und (anspruchsvollen) Übungstouren hat sie neben dem Können eine bewundernswerte Sicherheit bekommen, solche anspruchsvollen Passagen nun eigenständig zu meistern.
Als das dominierende Band zu Ende ist und wir nach oben in eine anfangs breite Rinne abbiegen entspannt sich eine kurze Diskussion über die ,,richtige" Routenführung: Sie tendiert ihre Skizze interpretierend nach rechts (in eine etwas schwierigere Variante), während es für mich leicht links doch offensichtlicher ist (was später Stoamandl auch bestätigen).
Auf diese Weise hätte es gerne noch weiter hinauf gehen können, doch etwas unvermittelt stehen wir auch schon am Grat, können von dort das Plateau der Reiter Alm einsehen. Hier wenden wir uns dem Gipfel des Wagendrischelhorn (2252 m, 15:00 Uhr) zu, den wir nun für uns allein haben.
Das aktuelle Gipfelbuch in der ,,7. Auflage" (ab Sept. 2019) verrät, dass das kleine metallene Kreuz im Sept. 1969 aufgestellt wurde – und dass relaxfex Mitte Sept. 2021 auch via der Zellerführe hier heroben war.  ;)
Die Wolken haben sich zwar über die Gipfel angehoben, doch so ganz möchte der blaue Himmel sich nicht breitmachen. Auch die Fernsicht bleibt eingeschränkt – na, vielleicht dann ein anderes Mal...

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Blick vom Wagendrischelhorn auf Hochkalter-Massiv und Stadelhorn


So kann es auch aussehen, das Gipfelpanorama (Aufnahme vom 15.09.2019, geliehen von Daniel Schröer)

Nun hat auch der Wind unangenehm aufgefrischt, wir wenden uns dem SO-Grat zu, über dem seit 1984 ein ,,leichter" Klettersteig verläuft. Zwei Stellen sind im Abstieg schon etwas kniffelig – und das mit nun kalten Fingern im Juli. Die Mayrbergscharte (2055 m, 16:15 Uhr) wird erreicht, noch eine weitere kurze Pause mit der Sonne auf dem Rücken eingelegt, das Stadelhorn muss auf einen neuen Anlauf warten, dann steigen wir südseitig den seilversicherten Steig zu unserem Aufstiegsweg hinunter.

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Häuselhorn und Wagendrischelhorn vom Hochgscheidsattel – die Zellerführe folgt der natürlichen Übergangslinie von kompakterem Fels unten und brüchigerem Fels oben

So richtig eilig haben wir es nicht, als wir den Hochgscheidsattel (ca. 1700 m, 17:45 Uhr) passieren, uns nochmals an der Jagdhütte Hochgscheid (1386 m, 18:15 Uhr) niederlassen und dann gemütlich weiter den schönen alten Reitweg absteigen. Die ,,Bundesforststraße" wird jetzt ein wenig lästiger wahrgenommen, doch bietet sie damit auch ein unkonzentriertes ,,Auslaufen" bis zurück zum Auto (895 m, ca. 19:00 Uhr).
So schön nun eine Einkehr auf der Terrasse mit Ausblick vom ,,Obermayerberg" auch gewesen wäre, wir rollen hinab in die Ortschaft Au, in der uns am Morgen das Gasthaus Antonia aufgefallen ist, in dem es sich (derzeit) gut und günstig einkehren lässt.

Bergautist

Tolle Eishöhlenbilder! Die wären allein schon einen Aufstieg wert gewesen!

almrausch

Gestern an einem wunderbaren Tag (nicht zu heiß, leicht bewölkt) habe ich die Tour mit meinem Mann wiederholt. Wir waren zur gleichen Zeit ca. 11 Uhr, wie damals, am Einstieg (obwohl wir erst um 9:30 am Parkplatz Mayrberg waren) und hatten aber Glück #danke1# , weil uns ein netter Waldbesitzer  ca. 350 Höhenmeter auf der Forststraße (die wir im Rückweg auf einem wunderbaren Steig größten Teils umgehen konnten) bis kurz vor die Jagdhütte mit dem Auto mitgenommen hat. Vor uns ist kurz vorher ein anderes Paar mit Seil in die Route eingestiegen. Wir waren, dadurch dass wir seilfrei unterwegs waren und ich die Route schon kannte recht flott unterwegs und waren trotz ausgiebiger Pause am Wiesenfleck, bereits um 14 Uhr am Gipfel und um 17:30 wieder am Parkplatz. An der etwas abgedrängte sehr ausgesetzte 2er Stelle, habe ich meinem Mann nachgesichert, da  aufgrund seiner Größe die Stelle etwas schwerer für ihn war. 3er Stellen konnten wir nicht finden ! Der Abstieg über den Klettersteig ist gut ohne Set machbar, da es sich zwar offiziell um einen B/C Seig handelt, aber alpine Klettersteige anders als Sportklettersteige in dieser Kategorie nicht so ausgesetzt sind.
Fazit: tolle Tour in sehr alpiner recht einsamer Umgebung, mit wunderbaren Ausichten und schönen Zustieg/Abstieg. Mit entsprechender alpiner Erfahrung ist das ein guter Einstieg in solche Touren, da die Wegfindung keine nennenswerten Schwierigkeiten aufweist und das Gelände zwar anspruchsvoll aber auch nicht zu schwer ist. Ein kurzes Seil, für die ausgesetzte Stelle (es befinden sich jeweils ein Bohrhaken davor und danach), für evt. ängstlichere/größere bzw. nicht so klettererfahrene Mitgeher ist zur Sicherheit definitiv zu empfehlen. Vorsicht auch in Bezug auf Steinschlag und lockere Steine !