12.06.2022: Allgäuer Alpen: Überschreitung Heuberggrat & WH
 

   

12.06.2022: Allgäuer Alpen: Überschreitung Heuberggrat & WH

Begonnen von geroldh, 17.06.2022, 22:06

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geroldh

Allgäuer Alpen: Gratüberschreitungen am Walmendinger Horn

Klar – bequem geht anders! Doch soll das 9,-Euro-Ticket nicht auch animieren, die Komfortzone zu verlassen, die Perspektive zu verändern?

So sitze ich nun ,,gratis" im ersten Zug des Tages von RO (ab 5:27 Uhr) nach M – die Sonne ist gerade am Aufgehen – und fühle mich doch etwas ,,fehl am Platz", habe vorhin beim schnellen Frühstück noch an meiner ,,Schnappsidee: Heuberggrat im Kleinwalsertal" gezweifelt. Doch das Wetter ist super, der Tag lang und gesundheitlich mag ich mir aktuell keine große Konditionstour zumuten. Da soll es ganz gut passen, sich vom Zug aus die süddeutsche Landschaft anzusehen – und sich auch etwas zu beschäftigen, damit diese Zeit genutzt ist.
Wegen eines ,,schnarchenden" Güterzuges ,,ist der Streckenabschnitt vor uns belegt", man solle doch bitte ,,eine verspätete Ankunft beachten" und auch ,,Verständnis haben", so spricht es in aller Herrgotts-Früh aus dem Lautsprecher. Obwohl M-Hbf angeschrieben ist, endet der Zug außerplanmäßig (d.h. wg. Bauarbeiten) in M-Ost – und ohnehin bereits verspätet, laufe ich zur S-Bahn hinüber. Am Hbf angekommen, die Treppen hochgejoggt, steht der Wunsch-Zug (6:21) zwar (noch) auf der großen Anzeigetafel, doch draußen am vorgelagerten Bahnsteig angekommen, ist das Gleis bereits leer – dieser Regional-Express ist pünktlich abgefahren. Eine ,,fahrplanmäßige" Umsteigezeit von 12 Minuten ,,im Hbf" hat schon mal nicht funktioniert. Am Gleis nebenan ist der bereitstehende Zug nach GAP/Oberau bereits gut besetzt, doch interessanterweise – und für mich als ,,backup" – fährt am Sonntag noch eine Regional-Bahn kurz darauf (6:39) in Richtung Allgäu – mein Bergtourentag wird sich nun schon mal ,,fahrplanmäßig" (andere Zugfolge) um 40 Minuten verkürzen.
In Buchloe, einem markanten Bahnkreuzungspunkt, war der Umsteigeprozess der beiden vorhergehenden RE-Züge auf wenige Minuten am gleichen Bahnsteig abgestimmt – ich kann es nun ruhig angehen lassen, vom Gleis 1 zum Gleis 5 hinüberzuwechseln. Mit der Abfahrt um 7:39 Uhr ist dieser Kurzzug (nur ein Diesel-Triebwagen) zwar gut besetzt, aber nur die Wenigsten wollen bis nach Oberstdorf durchfahren. Es folgt eine recht gemütliche und kurvige Fahrt via dem Bahnkreuzungspunkt Kempten (ca. 8:25 Uhr) durch eine gepflegte Kulturlandschaft, bei der wir den Bergen linkerhand zunehmend näherkommen. Übrigends: Einen netten (schwäbelnden) Dialekt haben die unterwegs zusteigenden Leute... ;)
In Immenstadt wird die Fahrtrichtung des Zugs gewechselt und weiterhin sehr gemütlich fährt der Zug am Grünten vorbei, noch einige Male haltend – auch wie plakativ an die Wand gepinselt ,,in der südlichsten Stadt Deutschlands", bis kurz nach 9:20 Uhr schließlich der Kopf-/End-Bahnhof Oberstdorf (ca. 813 m) erreicht wird. Ich erwische gerade noch in der letzten Sekunde der Abfahrt den vollen und wohl deshalb leicht verspäteten Bus der RVA-Walserbuslinie Nr.1, in der das 9,-Euro-Ticket keine Gültigkeit besitzt. Es sind ohnehin nur wenige Haltestellen auf deutscher Staatsseite, der größte Teil des gut getackteten Linienverkehrs ins Klein-Walsertal findet auf österreichischem Staatsgebiet statt. Es ist 9:50 Uhr als ich in Hirschegg (Haltestelle Walserhaus, 1122 m) in mein ,,Heuberg-Abenteuer" starte.

Den anlassbezogenen Impuls für diese Fahrt hierher haben wenige Tage zuvor 99 SchülerInnen und ihre (dämlichen) Lehrkräfte ausgelöst, die sich fast alle per Hubschrauber haben am Heuberg retten lassen müssen (klick) – und der daraufhin verursachte Medienrummel mit Verurteilung eines (Erlebnis)Berichts auf einem Bergsportportal und schwer nachvollziehbaren Ursachenfolgerungen. Mein Interesse an der Wahrheit soll mich heute über diesen ,,bösen" Heuberggrat auf das Walmendinger Horn führen und anschließend weiter in süd-westliche Richtung über den Anschlussgrat – soweit es mir gefällt und ich Lust auf diesen Perspektivenwechsel habe.

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Es gäbe die Möglichkeit, sich mit der "Heubergbahn", einem Sessellift, hinauf schaukeln zu lassen, doch etwas verwinkelt wähle ich den schweißtreibenden Aufstieg in der bereits warmen Vormittagssonne auf den schmalen Wirtschaftssträßchen. Die Bergstation wird erreicht und damit eine Wanderzone auf dafür freigegebenen und ausgeschilderten Forstwegen für leicht beschuhte Urlaubstouristen.

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Ich orientiere mich kurz und steuere am Waldrand das obere Ende eines Skiliftes an. Dort ist ziemlich schnell die (ausgetretene) Spur gefunden, die als leichter Pfad den bewaldeten Geländerücken hinauf leitet. An diesem Tag sind vor mir noch andere an dieser Tour interessierte unterwegs, ich werde einige davon später ein- und überholen.



An einem steileren Geländeaufschwung wird wohl den Spuren nach zu urteilen ,,die Schlüsselstelle" für die Schulklassen gewesen sein – Details hierzu im Kurz-Bericht Misslungene Bergtouren – Heuberg-Grat. Mit Unterstützung der Hände ist diese noch etwas feuchte und leicht schmierige Kraxelstelle (T4+) ,,gut" zu überwinden, dann führt der Steig wieder moderat bis hinauf auf den kreuzlosen Heuberg (1795 m), nur eine erste kleine und flachere Zwischenerhebung im Gratverlauf. Erst kurz darauf warnt ein Schild vor dem weiteren Bewandern, ab hier wird es ausgesetzter und schmaler – und m.E. erst ab hier beginnt der sog. ,,Heuberggrat".

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Der Weiterweg ist für geübtere Bergler definitiv ohne Kletterausrüstung zu absolvieren, sofern man schwindelfrei und trittsicher ist – und die weiteren drei Köpferl (UIAA I) gelassen überkraxeln kann. Mit dem Unterqueren der Seilbahnstütze der Walmendingerhornbahn ist das kleine Abenteuer auch schon zu Ende, von dieser Seite warnen zwei gleiche Schilder hintereinander nahe dem markiertem Wanderweg hinauf zur Bergstation und dem Gipfel des Walmendinger Horn (1996 m).

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Auch wenn das Walmendinger Horn ein vollkommen touristischer Gipfel ist, so mache ich dennoch den Abstecher hinauf, denn hierher werde ich wohl kein weiteres Mal kommen. Außerhalb der Absperrung setze ich mich ins Gras, mache Mittagspause und genieße die mir unbekannte Rundumaussicht – den Blick auf die entfernte Zugspitze von der anderen Seite als sonst üblich.

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Dann heißt es von diesem ,,touri-gesicherten" Gipfelbereich durch ein symbolisches Tor weiter auf der Piste/Straße abzusteigen, um in die Gratsenke zu gelangen, von der touristisch ruhig der weitere Gratverlauf auf einem vergleichsweise einfachen T3-Steig überschritten werden kann.

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Weiß-blau-weiß markiert gelange ich auf den Muttelbergkopf (1989 m), von diesem wieder etwas hinab, um dann auch noch Östlicher Ochsenhofer Kopf und Westlicher Ochsenhofer Kopf zu überqueren.

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Die Ochsenhofer Scharte (1821 m) wird, so gemütlich ich heute unterwegs war, mein ,,Umkehrpunkt" darstellen, auf das Grünhorn (2039 m) habe ich keine Ambitionen mehr. An der Starzelhütte vorbei steige ich den Starzelweg in den Talgrund hinab und wandere dort auf dem Güterweg zur Ortschaft Baad (1244 m) hinaus, in dessen Nähe ich mir im Bach erfrische, umziehe und dann um 17:50 Uhr in den Walserbus zu steigen, der mich in knapp 45 Minuten das ganze Walsertal hinaus an den Bahnhof Oberstdorf bringt.

Entsprechend der weiten Heimfahrt habe ich den Tag nicht ausgereizt, bin nun sogar etwas früher als vorgesehen dran, der Zug - nur mäßig besetzt - fährt pünktlich um 18:41 Uhr los, wendet in Immenstadt und erreicht mit etwas Verspätung Buchloe, wo unser Anschlusszug nach M-Hbf auf uns wartet (20:36). Etwa eineinhalb Stunden später ab Oberstdorf hätte es sogar eine Direkt-Verbindung bis nach M-Pasing gegeben, doch dann hätte mich RO definitiv erst nach Mitternacht wieder gesehen. Mit der fahrplanmäßigen Ankunft in M-Hbf (21:20) endet nun auch alles Planbare, es beginnt wieder das (derzeitige?) Chaos von BRB/Meridian: Eigentlich in der Haupthalle um 21:43 Uhr abzufahren, ist dort der Bahnsteig so voll, wie das Gleis leer ist – der Zug ist verspätet und trifft erst kurz vor 22:00 Uhr ein. Noch ein paar Minuten sog. Zugvorbereitung und ein für diese Zeit ziemlich voller Zug – quasi vollbesetzt ab M-Ost – macht sich auf in das Chiemgau mit dem Ziel Salzburg. Doch die Langsamfahrstellen wirken wieder direkt auf die Reisegeschwindigkeit, viele Reisende hatten mit einem Anschluss in RO gerechnet, um in Kufstein die tages-letzte Verbindung nach Innsbruck zu bekommen. Nun stellt der Kundenbetreuer den genervten Fahrgästen Verspätungsbescheinigungen aus, damit sie mit einer Hotelübernachtung oder Taxifahrt in Vorleistung gehen können und anschließend versuchen können, sich das Geld wieder von der Bahn zurückzuholen. Mit etwa einer halben Stunde Verspätung erreichen wir kurz vor 23:00 Uhr den Bahnhof RO, aber mein Radl ist nachsichtig mit mir und bringt mich noch gut nach Hause.

Was war heute eigentlich das größere Abenteuer? Der ,,wilde" Heuberggrat oder die ,,wilde" Reise mit dem ÖPNV?  #gruebeln#