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Am Berg


Bergretter über ihre dramatischsten Stunden

Autor / Autoren:


»Käsbohrer, Thomas«

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Beschreibung:


Bergretter. Diese Buch erzählt 33 Geschichten von ihren Einsätzen. Da ist die Geschichte von dem Mann, der drei Tage auf dem Höllentalferner in einer Gletscherspalte verschwunden war. Und von dem Bergretter, dem er sein Leben verdankt, weil er die Suche nach einem vermissten Unbekannten einfach nicht aufgeben wollte. Und die Geschichte des Höhlenforschers, zu dessen Rettung sich sechs Nationen zusammentaten. Oder das Rätsel des Bergsteigers am Jubiläumsgrat, der sich im Schneesturm partout entkleiden wollte. Oder dem Lawinenhund, der seinem Herrchen mit dem Bus nachfuhr.

Manche der Geschichten sind ernst. Manche heiter. Einige enden tödlich. Manche berichten vom Opfermut der Bergretter, in einigen Fällen sind Bergretter selbst das Opfer, für die der freie Fall in die Tiefe und langer Krankenhausaufenthalt oftmals eine Wende im Leben brachte.

"Am Berg" erzählt von Risiko und von Fehlern. Von Verschütteten, Vermissten, Verletzten – und von der Suche nach ihnen. Namhafte Wetterprofis und Lawinenexperten, Risikoforscher und Psychologen, allesamt seit Jahrzehnten in den Bergen unterwegs, analysieren außerdem, wie Fehler entstehen. Und warum es oft nur wenig braucht, bis die Natur erbarmungslos zuschlägt. Wenn das passiert, ist die Bergwacht oft die letzte Chance auf Rettung. Die ehrenamtlichen Bergretter rücken aus, wenn andere längst vom Berg wieder unten sind.



Inhaltsverzeichnis:


Zugspitze. Der Mann aus Eis
Kampenwand. Rettung im Regen
Am Staufen. Allein mit dem Tod
Garmisch. Gefangen in der Höhle des Fricken
Jubiläumsgrat. Der Unbekleidete im Schneesturm
Am Geigelstein. Eine Silvesterfete
Alpspitze. Meine ganz normalen Wochenenden in den Bergen
Marmolata. Gefangen im Eis
Am Bläßleskopf. Hängt ein E-Bike im Baum
Notkarspitze. Spuren ins Nichts
Am Watzmann. Die Frau in Gelb
Allgäu. Die Geschichte von Utz, dem Lawinenhund
Am Schrecksattel. Neuschnee Lawinenstufe 4
Kreuzeck. Der Hund, der allein im Bus gefahren kam
Chiemgauer Alpen. Die Suche nach dem Jäger
Bad Reichenhall. In der Eishalle
Georgien. Allein auf Viertausendern
Reit im Winkl. Auf der Piste
Kaprun. Einsatz am Kitzsteinhorn
Brünnstein. Der Mann am Fuß der Wand
Benediktenwand. Das Parfüm
Am Längfluh-Gletscher. Wenn die Bergwacht einen Ausflug macht
Am Hahnenkopf. Die Drohne, die Nacht und der Schnee
Am Blaueis. Der eine Moment
Riesending-Höhle im Untersberg
Hochries. Der Rätselhafte Verletzte
Ruhpolding. Die Wanderin vom Rauschberg


Buchausschnitt:

Es ist Frühsommer. Für einen ambitionierten Bergwanderer soll es mit Steigeisen über das Höllental bei Garmisch-Partenkirchen zum Höllentalferner gehen. Als der Münchner auf einem Schneefeld einen falschen Schritt macht, geht es für ihn von einem Moment auf den anderen um Leben oder Tod in einer Gletscherspalte.

Anton Vogg Senior / Anton Vogg Junior
Zugspitze. Der Mann aus dem Eis.

Sonntag, 24. Juni. Höllentalferner.

Auf dem Höllentalferner ist das Wetter herrlich. Klare Sicht bis ins Tal, fast wolkenlos. Es hat die letzten Tag geschneit oben. Das Geröll, das im Sommer sonst offen auf dem Gletscher zwischen den Spalten liegt, ist leicht überzuckert vom Neuschnee der letzten Tage. Der Schnee des langen Winters hat sich auf der sonnenabgewandten Seite der Zugspitze auf der einen Kilometer langen Eiszunge des Höllentalferner ein letztes Refugium geschaffen. Hermann H. schnallt sich die Steigeisen an, als er den Gletscher auf 2570 Meter erreicht. Er ist allein hier draußen, seit längerer Zeit hat er keinen Bergsteiger mehr gesehen. Kein Laut dringt durch die magische Stille.
Zaghaft macht er seine ersten Schritte auf dem Eis. Er ist überrascht, wie gut die Steigeisen durch den pudrigen Schnee hindurch Halt finden. Es geht leichter, als er sich das vorgestellt hat. Er macht ein paar Sprünge, begeistert, Donnerwetter, wie die Eisen ins Eis beißen. Er wandert ein Stück den Gletscher nach oben, der steil ansteigt. Geröllbrocken liegen im Neuschnee auf dem Eis, er ist achtsam dort, wo die Felswände etwas vorspringen und die Gletscherzunge verengen, dort sind meist die Spalten.
Er folgt dem Pfad weiter nach oben, sein Schritt ist sicher. Mutig geworden, verlässt er den Weg nach oben, wo unberührt ein Schneefeld liegt. Es ist weit am Nachmittag. Ein paar Meter steigt er auf, schaut vielleicht kurz nach oben. Als er den nächsten Schritt macht, trifft sein Eisen unter dem Schnee auf – nichts mehr... Er tritt ins Leere.
Eine Ewigkeit dauert sein Fall, so kommt es ihm wohl vor, dann schlägt er unten überraschend weich auf einem Schneehaufen auf. Als er die Situation begreift, beginnt er, sich langsam zu bewegen. Seine Glieder sind heil. Bis auf ein paar Kratzer ist er unverletzt. Er steht auf und schaut sich um. Er ist auf einem etwa zwei Meter breiten Balkon zwischen den Wänden aufgeschlagen. Links und rechts daneben fällt die Spalte jäh weiter nach unten ab. Vor sich und hinter sich hat er Wände aus blankem Eis. Über sich, in knapp zehn Metern Höhe, befindet sich eine geschlossene Schneedecke. Durch das kleine Loch, das er beim Sturz durch die Schneedecke gerissen hat, sieht er ein Stück des strahlend blauen Himmels über ihm leuchten, als wäre nichts geschehen. Doch plötzlich fühlt er: Der blaue Himmel ist unerreichbar weit weg. Noch weiter weg, als er für ihn jemals war…

Wie es weiterging? Mehr unter www.millemari.de



Aus dem Inhalt:


Vorwort:

Dieses Buch entstand im Herbst 2018 in vielen Einzelgesprächen mit Bergwachtlerinnen und Bergwachtlern, die ich an ihren Wohnorten zwischen Bad Reichenhall an der österreichischen Grenze und Sonthofen im Allgäu um ein Gespräch gebeten hatte. Ihre erste Reaktion auf meine Bitte war stets dieselbe. „Ich hab nix zu erzählen. Ich hab ja nix Besonderes erlebt“, sagten sie. Es brauchte nie mehr als eine halbe Stunde, bis klar war: Fast alles an ihren Erlebnissen ist besonders. Und an ihren Leben auch. Auf den ersten Blick sind sie Menschen wie Du und ich. Lehrer, Schreiner, Maurer, Bodenleger, Schäfer. Eine Ärztin. Eine Almerin. Ein Amtsrichter. Die Jüngste 24. Der Älteste 85. Begannen sie zu erzählen, was sie erlebt hatten und in jeder Woche erleben, kamen ungewöhnliche Grenzgänger beiderlei Geschlechts im Dienst am Anderen zum Vorschein. Menschen, einerseits in ihrer Heimat tief verwurzelt. Und andererseits von dem lebensfeindlichen Raum der Berge vor ihrer Haustür gleichermaßen fasziniert wie sie getrieben sind von der Idee, anderen zu helfen.
Die Auseinandersetzung mit der Natur, dem Fels und dem eigenen Können zieht diese Grenzgänger ebenso magisch an wie der Augenblick des Glücksgefühls, einen Vermissten oder Verunglückten zu finden und lebend in einen am Steilhang klebenden Hubschrauber zu heben. Was immer es war: Ihr Wesen oder ihr Grenzgängertum hat sie bewogen, Risiken auf sich zu nehmen. Anders als es heute oft verbreitet ist, sind sie sich des Risikos bewusst, das sie eingehen, wenn sie ihrer Leidenschaft folgen. Bohrte ich in den Gesprächen nach, warum sie nicht öfter Unmut äußerten über die häufig durch eigenes Verschulden am Berg in Not Geratenen, bekam ich oft dieselbe Antwort: „Wir sind Retter. Nicht Richter.“ Nicht mehr. Nicht weniger. Simple fünf Worte reichen, um sich das Mitgefühl für jeden Verunglückten zu bewahren. Und nicht in jenes altkluge Blaffen und vorschnelle Urteil zu verfallen, das einem die an sich wertvollen Sozialen Medien heute oft verleidet.
Wollte ich wissen, was sie für ihre Einsatz bekämen, lautete die Antwort: „Nichts“. Wer heute an einem Sonntagnachmittag als Bergwachtler mit 20 Kilo auf dem Rücken zu einem Verunglückten aufsteigt, hat seine Berg- oder Skistiefel samt Ski und Rucksack aus der eigenen Tasche bezahlt. Nur die blau-rote Einsatzjacke kann meist aus Spenden an die Bereitschaft bezahlt werden. Und er erhält für sein Risiko keinen Cent. Nicht selten steht er dann einem Hilfesuchenden gegenüber, der davon keine Ahnung hat, und der meint, es bestünde ein Recht auf Rettung.
Nicht zuletzt deshalb haben wir vom Verlag millemari. uns entschlossen, auf einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf dieses Buches zu verzichten und den Bergrettern zur Verfügung zu stellen.
Dieses Buch erzählt von Bergretterinnen und Bergrettern. Aber auch von Unfallopfern. Ihre Namen und Herkunftsorte, soweit sie bekannt sind, wurden geändert. Es wurde keineswegs in der Absicht geschrieben, dem Leser im Blick auf die Bergunfälle einen Schuldigen zu präsentieren. Oder etwa, um ihm ein vorschnelles „Wie-konnte-der-bloß!“ zu entlocken. Auch geht es nicht um Voyeurismus mit möglichst vielen, möglichst gruseligen Details. Dieses Buch ist dem Credo der Bergwacht „Wir sind Retter. Nicht Richter“ zutiefst verpflichtet. Es kommt darauf an, zu begreifen, dass Unfallsituationen von Menschen wie Du und ich verursacht werden. Sie können jedem von uns jederzeit widerfahren. In die Berge zu gehen, ist immer mit Wagnis verbunden. Das zeigen nicht zuletzt die Eigenunfälle der Bergwachtler, von denen sie hier freimütig erzählen.
Bei meinen Darstellungen folgte ich in den Details strikt den Schilderungen der Retter, so wie sie die Vorgänge erlebten und im Gespräch schilderten. Der Bericht eines Beteiligten ist immer subjektiv. Und manches an den Darstellungen mag von den Tatsachen etwas abweichen, wie Augenzeugen oder Betroffene am ein oder anderen Detail vielleicht bemerken werden. Doch immer war für mich der Bericht der Retter, wie sie die Situation erlebten, die Richtschnur für meine Rekonstruktion dessen, „wie es gewesen sein könnte“. Doch für mich war das subjektive, teils emotionale Erleben der Bergretter und Bergretterinnen, der Wunsch nach der Rekonstruktion der dramatischen Vorgänge die Motivation, die zum Entstehen dieses Buches führte.
Der vorliegende Band verdankt seine Entstehung der Mitarbeit vieler. Ohne die tatkräftige Mithilfe von Roland Ampenberger und Lisi Frühholz von der Bergwacht Bayern wäre dieses Buch niemals entstanden. Ebensowenig ohne die bemerkenswerte Offenheit und das Vertrauen, das mir die Frauen und Männer der Bergwacht allesamt schenkten, indem sie mir freimütig ihre sehr persönlichen Erlebnisse und Empfindungen für dieses Buch anvertrauten.
Die Bergwacht rückte im Jahr 2018 zu rund 8000 Einsätzen aus. Kaum ein Jahr vergeht, ohne dass nicht ein Bergretter in den Alpen verunglückt. Dieses Buch schrieb ich für die Männer und Frauen der Bergwacht, die hier ihre Geschichten erzählen. Und für diejenigen, die sie mir nicht erzählen konnten. Aus welchen Gründen auch immer.

Iffeldorf vor den Bergen, Thomas Käsbohrer



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Millemari München
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